TERCIO

Nach meinen vielen Reisen und Recherchen zum Thema 30-jährigen Krieg wird es nun höchste Zeit, dass die Würfel wieder rollen und neue Figuren bemalt werden. Da ich schon einen Grundstock einer Armee der Katholischen Liga besitze, war es naheliegend diese weiter auszubauen. Ich wollte außerdem eines der von mir besuchten Schlachtfelder in einem Szenario verarbeiten und unbedingt die geheimnisvolle frühe Tercio-Gefechtsformation testen. Meine Wahl fiel also auf Tillys Armee der Katholischen Liga und die Schlacht bei Lutter am Barenberge.

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Die Gefechtsform Tercio

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert verwendeten die Nationen ganz unterschiedlichen Gefechtsformationen, welche in dieser Epoche Ordonnanz genannt wurden. Die Spanische Ordonnanz bezeichnete den Kampf der Infanterie in sogenannten Tercios. Der spanische Name Tercio leitet sich aus der früher üblichen Dreiteilung der Armee ab. Die Formation setzte sich aus rund 3.000 Mann zusammen, welche zusammen ein Regiment bildeten. Die Einheiten eines Infanterie Regiments hießen Kompanie (der Begriff Fähnlein war zu diesem Zeitpunkt schon veraltet) und wurden von einem Hauptmann kommandiert. Eine Kompanie sollte in der Theorie aus 150 Musketieren bzw. Arkebusieren und 130 Pikenieren, (zumindest in den ersten Jahren des 30-jährigen Krieges), auch Spießer genannt, bestehen. Hinzu kamen ca. 20 Männer der sogenannten Prima Plana, wie die erste Seite der Musterungsliste einer Kompanie genannt wurde (aus dem lateinischen, „erstes Blatt“). Zu den Männern der Prima Plana zählten alle Offiziere, Unteroffiziere und Spielleute. Die Sollstärke des Regiments lag bei 10 Kompanien, insgesamt also die bereits erwähnten 3000 Mann. In der Realität zogen oft weit schwächere Regimenter in die Schlacht. Eine Zahl von 800 bis 1.000 Mann war keine Seltenheit.

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Die Spießer standen als dichtes Geviert im Zentrum des Tercios, in Sollstärke 50 Mann breit und 30 Mann tief. Die Arkebusiere bildeten eine Art Hecke um die Pikeniere, während die Musketiere, die mit ihren schweren Waffen mehr Platz benötigten, in 4 sogenannten Hörner oder Bastionen, also kleinen rechteckigen Formationen, an allen Ecken des Tericos aufgestellt wurden. Diese ungewöhnliche Gefechtsform entstand aus der Idee, möglichst vielen Schützen ein Schussfeld zu bieten und gleichzeitig den Rundumschutz der Pike gegen feindliche Nahangriffe zu gewährleisten. Soweit die Theorie. Die Praxis sah deutlich komplizierte aus und ist mir persönlich noch immer schleierhaft. Vor allem die Zuteilung der sehr unterschiedlich großen Kompanien und ihre Verteilung im Tercio müssen erhebliche Probleme bereitet haben. Eine Formierung zum Tercio aus der Marschbewegung kam sicherlich nicht in Frage. Man liest davon, dass die Aufstellung der Männer an Hand von Logarithmentafel erfolgten musste. Vor allem der Wechsel von der Formation, in der die Schützen der Bastionen und der Hecke schussbereit standen, in eine Nahangriffsformation, bei der nun möglichst schnell die Piken die Front beherrschten, erscheint schwierig. Die Bastionen werden vermutlich hinter den Pikenblock zurückgefallen sein. Anders sieht es mit der Schützenhecke aus, die ja dann erst um den ganzen Block herumlaufen musste. Man liest zwar immer, dass sich die Schützen der Hecke und der Bastionen einfach vor der Front der Piken schützend zu Boden geworfen haben sollen, aber das wären dann ein Haufen von 8 bis 10 Mann hintereinander. Diese Menge direkt vor den Füßen der Spießer macht mit Sicherheit keinen Sinn, da sie einerseits leichte Beute für die gegnerischen Spießer gewesen wären und anderseits die eigenen Spießer stark behindert hätten. In den Türkenkriegen vor dem 30-jährigen Krieg, entdeckte die kaiserliche Armee das Tercio als perfekte Formation, um sich nach allen Seiten gegen die schnelle leichte Reiterei der Türken verteidigen zu können. Bis zum Tod des Feldherren Tilly im Jahr 1632 blieb das Tercio, nun auch als katholische Ordonannz bekannt, die Standartformation der Katholischen Liga.

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Tercio im TableTop

Die Vorteile des frühen Terico im TableTop-Spiel (zu mindest bei Field of Glory) sind seine Größe, wodurch die Einheit länger standhält, das Fehlen von ungeschützten Flanken und Rücken sowie das 360 Grad Schussfeld. Nachteile sind die schlechte Manövrierfähigkeit, das durch die tiefe Formation oft große Teile des Tercios nicht in den Kampf eingreifen können und das die Armee durch die Größe der Formation über weniger Battlegroups verfügt. Am letzten Wochenende konnten wir im Rahmen des berühmten THC’s eine große Schlacht austragen und die Tercios auf Herz und Nieren prüfen. Gespielt wurde natürlich die Schlacht bei Lutter am Barenberge. Wie Tilly damals, so schicken die Spieler der Katholischen Liga drei Gruppen schwere Reiterei auf einen Flankenmarsch. Die Artillerie hatte sich auf beiden Seiten in einer großen Batterie, schwer verschanzt in der Mitte der Schlachtlinie postiert. Auf der rechten Flanke der Katholischen Liga besetzten leichte Truppen, eine Einheit Kroaten und eine Einheit Dragoner, ein unwegsames Waldgebiet. Links und rechts der großen Batterie waren insgesamt 3 große Tercios aufmarschiert. Auf der äußersten linken Flanke stand zusätzlich ein Regiment Kürassiere. Die Dänisch-Niedersächsische Armee hatte keine Tercios aufgestellt. Hier war die Infanterie in sogenannter niederländischer Ordonnanz formiert worden. Diese kleinen Einheiten vereinten große Feuerkraft auf kleinem Raum und eine gute Manövrierfähigkeit. Allerdings fehlte es ihnen an der Standfestigkeit der großen Tercios. An den Flanken der dänischen Schlachtlinie waren insgesamt 5 schwere Kavallerie-Regimenter in Stellung gegangen.

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Die Armee des Feldherren Tilly eröffnete das Gefecht mit einem allgemeinen Vormarsch der Truppen. Der Schwerpunkt des Angriffs lag auf dem linken Flügel, auf dem 2 Tercios und die Kürassiere vorrückten. Auf dem rechten Flügel marschierte ein weiteres Terico in Richtung Bach, während die leichten Truppen diesen bereits überquerten. Zunächst verhielten sich die Dänen abwartend, da man noch unsicher war, auf welcher Seite der Flankenangriff der feindlichen Reiterei schließlich erfolgen würde. Doch schon eine Runde später zeigte sich, dass der Flankenmarsch auf der linken Seite der dänischen Aufstellung eintreffen würde. Hektisch wurden nun weitere Kavallerie-Einheiten in dieses Gebiet verlegt. Unterdessen kam es auf derselben Flanke zu einem schweren Schusswechsel. Die dänische Artillerie schoss zwar vorzüglich, jedoch ließen sich die Tercios davon nicht beeindrucken und marschierten unbeirrt vorwärts. In der folgenden Runde kam es nun, durch das Eintreffen der katholischen Reiterei, unterstützt von leichten Truppen, zu schweren Nahkämpfen, die bald hin und her wogten. Die dänische rechte Flanke, ein Regiment Kürassiere, eine Einheit Dragoner und 4 Regimenter Infanterie standen unterdessen abwartend auf einem Hügelkamm. Erst das plötzliche schnelle Vorrücken der gegnerischen Kürassiere verursachte ein Handeln der Dänen…doch zu spät. Die kaiserlichen Kürassiere konnten die dänischen Reiter in die Flucht schlagen und in der Verfolgung auch die Dragoner vertreiben. Zusätzlich musste sich nun die gefährdete dänische Infanterie ins Karree begeben. Zur selben Zeit konnten sich auf der anderen Schlachtfeldseite ebenfalls die kaiserlichen Truppen im Nahkampf behaupten, wodurch die Armee der katholischen Liga als deutlicher Sieger hervorging. Da der Sieg vor allem durch die Kavallerie erzielt wurde, lässt sich nur wenig über die Tercios sagen. Zumindest hielten sie dem schweren Beschuss der Artillerie stand und konnten so das Zentrum in Schach halten. Wie sich die Tercios im Nahkampf verhalten, konnte aber leider nicht getestet werden.

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8 Kommentare zu „TERCIO“

  1. Hi Frank,
    die Stärke der Ari lag aber am Regelsystem bzw. den Würfelergebnissen, oder?
    Gegen effektiven Aribeschuss hatte doch das Tercio aufgrund seiner Dichte historisch gesehen sicherlich erhebliche Probleme.

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  2. Die Ari bekommt beim Beschuss schon einen Bonus, wenn das Ziel ein Tercio ist. Im Spiel haben die Tercios auch Verluste hinnehmen müssen, sie blieben jedoch durch die Art der Formation standhaft.

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  3. Eins ehr informativer und gut geschriebener Schlachtbericht. Die Photos sind durchweg stimmungsvoll und sehr gut ausgeleuchtet (insbesondere unter Spielbedingungen!) Die szenischen Photos sind natuerlich wie immer gelungen und die Bemalung der Minis ebenfalls hervorragend. Ich gehe davon aus, dass die Minis wie immer 1/72 sind? Was nehmt ihr denn da für die Piken?

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  4. Guten Tag,

    wieder mal ein atemberaubendes Figurenensemble, einfach stimmig arrangiert und so harmonisch bemalt, man könnte fast an Fotoshop und Filter denken, aber es ist einfach pures Talent was man hier sieht!
    Ich arbeite momentan selbst an einer kaiserlichen Armee, Pappenheims Regimenter und Deine Art zu bemalen und in Szene zu setzen dient mir immer wieder als Vorbild und Inspiration!

    Ich verwende Art -Miniaturen und selbstgemachte Zinn-Abgüsse meiner Umbauten , Größtenteils die kämpfenden Revell Posen und die Mars-Abgüsse.

    Du hast so schöne Figuren die ihre Piken schultern, in Bereitschaft, im Marsch.
    Von welchem Anbieter sind diese?

    Beste Grüße und ein großes Lob,

    Chemical_Wedding

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  5. Vielen Dank für deine Lob! Ein großer Teil meiner Figuren sind aus der ECW Range von SHQ Miniatures (ehemals Kennington). Die Figuren sind etwas stämmiger als die Plastikfiguren aber die höhe passt gut. Außerdem habe ich auch viele Plastikfiguren von A call to Arms verwendet.

    Viele Grüße
    Frank

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