Bei Berichten und Erzählungen zum Mahdi-Aufstand im Sudan, stehen eigentlich immer Britischen Truppen und die europäischen Persönlichkeiten im Vordergrund. Leider erfährt man kaum etwas von Land und Leuten sowie der Kultur der Bewohner. Mit diesem nachfolgenden Bericht über die Baggara in Kordofan und Darfur soll ein wenig Abhilfe geschaffen werden.
Baggara
Mit den Baggara bezeichnet man bestimmte viehzüchtende Stämme, die im afrikanischen Nomadengürtel leben, der vom Tschadsee bis zum Weißen Nil reicht. Der Begriff Baggara wird abgrenzend zu den Aballa (Kamelnomaden) und den Zurga (Bauern) verwendet und fasst eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme zusammen. Ihr Name leitet sich vom arabischen Wort baqara ab, welches Kuh bedeutet und damit auf ihre Lebensart als nomadische Rinderzüchtern hinweist. Die Baggara, manchmal werden sie auch als Shuwa-Arbarer bezeichnet, stammen von gemeinsamen Vorfahren ab. Ihr Ursprung liegt im Volk der Juhayna (Guhayna) des Hejaz, einer Region im Nordwesten der Arabischen Halbinsel. Im Laufe der Jahrhunderte verteilten sie sich über das Gebiet der südlichen Sahelzone in Nordost-Afrika, also der Region zwischen Wüste (Sahara) und Tropischer Savanne (Sudan), die sie als neue Heimat wählten. Auf ihrer historischen Wanderroute von der Arabischen Halbinsel zur Afrikanischen Savanne, änderte sich allmählich ihre Lebensweise. Die größte Umstellung war, dass nun nicht mehr Kamele, sondern Rinder ihre Lebensgrundlage darstellten. Einige Gruppen der Baggara sind in bestimmte Regionen konzentriert, es gibt aber kein zusammenhängendes Gebiet, das nur von Ihnen bewohnt wird. Im Sudan leben die meisten Baggara in den Provinzen Darfur und Kordofan. In Kordofan verdrängten sie die schwarzafrikanische Bevölkerung in den Süden, wo sie in den Nuba-Bergen Zuflucht fanden, während die Baggara die Weidegründe der Ebenen zwischen diesen Bergen bevölkerten. Alle Stämme der Baggara sprechen einen arabischen Dialekt, der Baggari oder Shuwa genannt wird und nahezu alle Stämme gehören zur islamischen Glaubensgemeinschaft der Sunniten.
Stämme
Die wichtigsten Baggara-Stämme der Provinz Darfur sind die mächtigen Rizaykat, die Ta’aisha, die Beni Halba und die Habbaniya. In Süd-Kordofan sind es die Stämme Misseiria, Humr (eigentlich gehörten die Misseiria und Humr zur gleichen Gruppierung und wurden Messiria Zurug, was übersetzt die „Dunklen“ heißt, und Messiria Humr, die „Roten“ genannt), Hawazma, Beni Selim, Awlad Himayd und Kenana. Nicht alle Rinderzüchter der genannten Regionen gehören offiziell zu den Baggara, so zählen die Kenana eigentlich zu einer anderen Gruppierung. Sie werden aber im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit und weil sie ein wichtige Rolle während des Mahdi-Aufstandes spielten, hier ebenfalls behandelt.
Die Baggara leben in Weide- und Lagergemeinschaften, dem farig, die durch Verwandtschaft mit anderen farig eine surra bilden. Mehrere surra wiederum werden zu einen khashm el beyt zusammengefasst, die schließlich den Stamm bilden, der gabila genannt wird. Beispielhaft sind hier die Gruppen (khashm el beyt) der Misseiria aufgeführt:
• Awlád Um Sálim
• El Ghazáya
• El Diráwi
• El Enenát
• Awlá Abu Na’amán
• El Zurug
• Awlád Haybán
Diese unterteilen sich z.B. bei den Awlád Um Sálim in die Untergruppen (surra):
• Awlád Sulaymán
• Awlád Hammuda
• Awlád abu Zaydán
• Awlád Musbáh
• Awlád Ebdó
Die oberste Instanz eines Stammes ist der Amir. In den Zeiten der Mahdiya wird der Amir auch oft mit Nazir bezeichnet. Ihm sind sogenannte Omad unterstellt, die einer Art Bezirk, einem Omodiyya vorstehen. Die kleinste Gruppe, die surra, wird von einem Sheik geführt. Unter Führung sind vor allem die Leitung von Schiedsgerichten und die Führung im Kampf zu verstehen. Alle Streitigkeiten einer surra, so auch ein Mord, wird innerhalb der Familie geregelt. Geschieht ein Mord außerhalb der surra, wird ein Blutgeld gezahlt. Ist der Täter jedoch ein Fremder, so muss im Gegenzug einer dieser Fremden sterben. Auge um Auge, Zahn um Zahn, so lautet das Gesetzt der Baggara, da sie ohne Armee, Polizei oder staatliche Justiz auskommen müssen.
Man schätzt die Gesamtzahl der Einwohner Kordofans im Jahr 1880 auf 250.000 bis 300.000 Personen, wovon etwa 114.000 zu den Nomaden, also den Baggara und Abbala (Kamelnomaden) zählten. Count Gleichen führt in seinem „Handbook of the Sudan“ von 1898 die Anzahl der waffenfähigen Männer der verschiedene Stämme auf, gibt aber keinen Zeitpunkt für diese Schätzung an: Rizeigat 3.000 Krieger, Ta’aisha 7.500, Beni Halba 1.400, Habbaniya 3.500, Misseiria 200, Hawazma 50, Humr 2.500, Gima 1.000.
Lebensweise
Wie schon erwähnt, sind die meisten Baggara Vieh züchtende Nomaden. Ihre Herden bestehen hauptsächlich aus Zebu-Rindern, es gibt aber auch einige wenige Stämme, die Schafe oder Ziegen halten. Kamele werden nur als Reit- oder Packtiere verwendet. Die Nahrung der Baggara besteht aus diesem Grund hauptsächlich aus Milch und Fleisch. Neben den Rindern waren Pferde ihr wichtigster Besitz. Nur durch diese Reittiere war es ihnen möglich, die gefürchteten Sklavenjagten durchzuführen und nach dem Raubzug eine schnelle Flucht mit der Beute anzutreten. Üblicherweise beschützten Stämme der Baggara in Kordofan die Nuba-Bevölkerung in ihrer Region und verübten Raubzüge nur in den benachbarten Gegenden. Im Gegenzug erhielten sie von den Nuba ihrer Region Getreide und Feldfrüchte. Aufgrund der vielen Raubzüge gab es in den Ebenen jedoch wenig Ackerbau, die Nuba legten ihre Felder in sicheren Terrassen an den Berghängen an. Da diese Anbaumethode weniger ertragreich war, sahen sich die Nuba manchmal gezwungen, ihre eigenen Sklaven oder sogar eigene Kinder an die Baggara zu verkaufen, um dann selbst Getreide erwerben zu können. Mit Hilfe der Pferde gingen die Baggara im Süden von Kordofan auch auf die Jagd nach Elefanten und Giraffen. Die Pferde stammten vorwiegend aus den berühmten Zuchten in Dongola und Berber. Handelswaren der Frauen waren vorwiegend Butter, Milch und gesammelte Wildfrüchte. Die Männer tauschten oder verkauften Vieh, Fleisch und Häute.
In kleinen Lagern (furgan) stehen ihre kuppelförmigen Zelte (bet birish), die aus einem hölzernem Gestell bestehen, welches leicht auf- und abgebaut werden kann. Biegsame Ruten werden in kreisförmig angeordneten Löchern im Boden verankert und in der Mitte zusammengebunden. Dünne Zweige werden dann mit den Ruten verflochten und das Ganze mit Bastmatten oder schwerem Tuch bedeckt. Die Zelte eines furgan sind in einem Kreis angeordnet, in welchen nachts die Rinder getrieben werden. Ihre Lagerplätze der Trockenzeit, die mit festen Brunnen ausgestattet sind, werden damar oder dar (Dar wird mit Land oder Gebiet übersetzt. Das Wort Al bzw. El ist mit den deutschen Artikeln der, die, das gleichzusetzten. „Dar Al Messiria“ heißt also übersetzt „das Land der Messiria“) genannt und bilden quasi die Heimat der wanderden Hirten. In der Mitte des Lagers, gewöhnlich auf einer kleinen Anhöhe, befindet sich die Wache, die aus einer Anzahl von Kriegern, bewaffnet mit Wurfspeeren besteht, die täglich gewechselt wird.
Die Hauptherden werden, angeführt von einem Leitochsen, von den azzaha (Junghirten) zu den unterschiedlichen Weidegründen getrieben. Begleiten die Nomaden ihre Rinderherden, so reiten sie auf ihren Bullen, wobei sie die Tiere mit einem Strick lenken, der an deren Nasenlöchern befestigt ist. Die Bullen werden ohne Sattel geritten, wobei die Reiter so geschickt sind, dass sie sich auch im vollen Trab auf dem Rücken halten können. Die Frauen und Kinder folgen langsam mit dem gesamten Hausrat auf Packochsen oder Kamelen. Die Weideplätze und die Routen ihrer Wanderungen verlaufen von Norden, wo sie die Regenzeit verbringen, nach Süden, wohin sie in der Trockenzeit ziehen. Dabei wandern sie auf einer kreisförmigen Route, benutzen also von Nord nach Süd und von Süd nach Nord jeweils verschiedene Wege, die meist aber nicht weit auseinanderliegen. Jeder Stamm hat dabei seine eigene Route, die nur von ihm benutzt wird.
Der typische Baggara ist von dunkler Hautfarbe, schlankem Wuchs, mit einer scharfen Augenpartie und spärlichem Bartwuchs. Die jugendlichen Männer tragen die Haare in Locken, welche ihnen in die Stirn hängen. Die erwachsenen Männer verwenden meist eine Kopfbedeckung und haben häufig rasierte Köpfe. Die Kleidung besteht nur aus der einfache, hemdartigen jibbah (jallabiyya) mit weiten Ärmeln und einer weiten Hose (sirwal abtika). Auf dem Kopf trägt man eine Kappe, die tagiatt, zusammen mit einem großen weißen Turban, eema genannt. Die Lederschuhe der Männer heißen marqoub. Die Männer führten das im Sudan üblichen zweischneidigen Schwert und 3 bis 4 Wurfspeeren mit sich. Die typische Bewaffnung war früher aber vor allem die enorm lange Lanze mit breiter, blattförmiger Spitze, die ursprünglich für die Jagd vom Pferd entwickelt wurde. Die Lanze konnte eine Länge von bis zu 3 Metern erreichen. Die Lanzenspitze war 40 bis 60 Zentimeter lang und maß an der breitesten Stelle 7 bis 10 cm. Alle Männer besitzen außerdem einen Dolch, der in einer Lederscheide um den linken Oberarm gebunden wird. Schilde waren, im Gegensatz zu den übrigen Stämmen Kordofans, unüblich.
Die Frauen behängten sich mit großen Bernsteinketten und Silberschmuck, der über der Stirn angebracht wurde. Sie schmücken sich außerdem mit großen Ohren- und Nasenringen. Das typische Kleidungsstück der Frauen bestand aus einem Baumwolltuch, rahad genannt, wobei die Mädchen den Oberkörper und die Beine oft unbekleidet ließen.
Das Ideal der Baggara sind die Unabhängigkeit, Männlichkeit, Mut und ein möglichst große Zahl eigner Anhänger. Sie sind und waren ein sehr kriegerisches Volk und lebten nicht nur mit ihren Nachbarn, sondern auch häufig untereinander im Kriegszustand. Zu ihren ärgsten Feinden gehören die Nuba, denn neben der Viehzucht zählten für die Baggara vor allem der Raub und der Verkauf von schwarzafrikanischen Sklaven zur Lebensgrundlage. Die Nuba waren bei diesen Sklavenjagden die bevorzugte Beute. Im Norden wurden die Baggara von den ägyptischen Steuereintreibern drangsaliert und auch die sesshaften Bauern dieser Region waren den Nomaden feindlich gesinnt. Zu allem Überfluss wurden in der Regenzeit ihre Viehherden in den südlichen Weidegründen von der Rinderbremse und der Tsetsefliege heimgesucht, welche die Tierseuche Nagana überträgt, die ganze Herden zugrunde gehen lässt. So gab es kaum einen sicheren Rückzugsraum für die Nomaden, die ständig von Feinden umgeben waren.
Mahdiya
Die Stämme der Baggara bildeten die Hauptstreitmacht während des Mahdi-Aufstandes. Nach dem Tod des Mahdi sorgte das neue Oberhaupt Khalif Abdallahi ibn Muhammad, selbst ein Baggara des Ta’aisha Stammes, dafür, dass tausende Baggara in die neue Hauptstadt Omdurman umgesiedelt wurden. Nach diesem Ereignis nahmen die Baggara die führende Rolle in der Gesellschaft der Mahdiya ein. Doch man kann die Baggara nicht alle über einen Kamm scheren, denn viele Stämme waren sogar ausgesprochene Gegner der Mahdiya.
Messiria
Die Messiria waren ein ungewöhnlich großer und einflussreicher Stamm in Kordofan. Ihre Heimat lag rund um el Sinut und el Mafura. Ihre Herden weideten im Wadi el Ghalla. Der Stamm war zwar wohlhabend, aber ihr Territorium war recht klein, weshalb sie mit ihren Nachbarn im ständigen Streit lagen. Während der ersten Monate des Mahdi-Aufstandes blieben viele Messiria der Regierung treu. Schon im Jahr 1880 halfen sie Slatin Bey gegen den Sultan Harun in Darfur und zwei Jahre später standen sie ihm im Kampf bei Um Warakat zur Seite. Im Jahr 1883 revoltierten die Beni Halba und fielen, unter der Führung von Bishari Bey wad Buhr, über die loyalen Messiria her. Diese formierten sich jedoch unter dem Kommando von Abdulla erneut rund um die Stadt Dara und konnten im Anschluss viele der feindlichen Beni Halba töten. Widrige Umstände zwangen Abdulla Um Dramo sich den Rizaykat anzuschließen und 1883 bei der Belagerung von Bara teilzunehmen. Sie hielten trotzdem noch heimlich Kontakt zu Slatin Bey, bis schließlich Darfur von der Regierung aufgegeben wurde. In den folgenden Jahren schaffte es ein erheblicher Teil des Stammes sich dem Befehl des Khalifen Abdullahi, der sie aufforderte sich mit ihm am Nil zu vereinigen, zu widersetzten. In dieser Zeit lebten die Messira von kleinen Raubzügen und erzwungenen Abgaben. Nach dem Fall von Omdurman im September 1898 plünderten einige Messiria unter der Führung des derzeitigen „nazir“ Muhammad el Fakir wad Gaburi die geschlagenen Ansar, die ihren Weg in die alte Heimat angetreten hatten.
Humr (auch Homr genannt)
Zur Zeit der Herrschaft des Khalifen Abdullahi waren die Humr zum Teil fanatische Ansar. Der Stamm litt sehr stark durch Krieg und Krankheiten während der Mahdiya. Ihre Heimat war, im Gegensatz zu den Messiria, ein relativ großes Territorium, so dass die Humr dadurch kaum in Konflikt mit anderen Stämmen kamen. Sie lebten ganz im Westen von Süd-Kordofan, zwischen El Odaya und dem Bahr el ‘Arab. Nur in der Trockenzeit zogen sie in den Süden, wo Überfälle auf und durch die Dinka zur Tagesordnung gehörten.
Hawazma
Das Territorium der Hawazma lag in der Gegende zwischen El Obeid, Dilling und Talodi bis nach El Fayd Um Abaulla. Auf ihren Wanderungen zogen sie weit nach Süden und konnten aus diesem Grund auch keine Pferde züchten und verwenden, da diese Tiere in den südlichen Regionen schnell durch die Naganaseuche der Tsetsefliege starben. Die Messiria waren ihre westlichen Nachbarn. Die Hawazma zählten zu den zahlreichsten unter den Baggara und waren vermutlich der Stamm, der sich am meisten mit fremden Elementen vermischt hatte. Dies lag an der Lage ihre Weidegründe zwischen den Nuba Bergen und den benachbarten Halbnomaden im Norden. Während der Mahdiya stellten die Hawazma zunächst eine starke Streitmacht. Sie besetzten das Gebiet um Diling und nahmen an der Belagerung von EL Obeid teil. Sie führten auch bei der Schlacht von Shaikan die zahlreichen Angriffe an. Als jedoch die Stämme aufgefordert wurden dem Mahdi nach Omdurman und zur Belagerung von Khartoum zu folgen, weigerten sich die Hawazma und zogen stattdessen zum Berg Goghub, wo sie die Zeit bis zur Rückeroberung des Sudan verbrachten. Dort verbündeten sie sich sogar mit den Nuba. Dem Mahdi gelang es jedoch einige Sheiks und ihre Männer, namentlich Nawai und Ibrahim Gayduen sowie Mohammad el Tom und Gotia Hammad, gefangen zu nehmen und zum großen Heerlager an den Nil zu bringen. Nawai und Ibrahim konnten später zwar entkommen, Ibrahim wurde jedoch erneut gefasst und getötet, während Nawai kurz nach seiner Flucht an den Pocken starb. Sheik Gotia starb in Omdurman und Muhammad el Tom, der letzte Überlebende, wurde in der Schlacht am Atbara getötet.
Beni Selim
Die Beni Selim lebten in Kordofan an der Ufern des Weißen Nils, bis in den Süden bei Kaka. Hier stoßen noch heute ihre Grenzen an die Völker der Schilluk und Dinka. Im Norden grenzte ihre Region an den Stamm der Ahamda und im Nordwesten an den der Jima’i. Im Westen waren ihre Nachbarn die Stämme der Awlad Himayd und der Habbaniya. In der Regenzeit treib die Tsetes-Fliege den Stamm nach Norden und teilweise sogar über den Weißen Nil nach Osten. Die Beni Selim betrieben keinerlei Ackerbau und mussten deshalb Getreide bei den Dinka und Schilluk eintauschen. Obwohl sie zu den Baggara gehören, bestanden ihre Herden oft in großen Teilen aus Ziegen und Schafen, da die Rinderzucht in der Nähe des Nils schwierig ist. Sie sind der Baggara Stamm, der die meiste Zeit des Jahres auf Wanderschaft verbringt. Es gibt ein Gedicht über diese mutigen Kriegernomaden:
Wir sind Selam und Seliem ist unser Vater
Wir töten das größte Wild und nehmen seine Zähne
Wenn wir den Tribut verweigerten, konnten uns die Türken nichts anhaben
Nahmen wir uns nicht gewaltsam die Milch der Kühe?
Töteten wir nicht ihre größten Bullen?
Wenn wir unsere Speere werfen, sind sie wie ein starker Regen
Unser Wurfspeerköcher machen Lärm, wie ein großer Schwarm Vögel.
Wir sind anderen Stämmen wohl bekannt und wir sind gefährlich wenn wir uns nähern.
Wir opfern unsere eigenen Kinder, um andere zu retten.
Awlad Himayd
Dieser Stamm und auch Teile der Habbaniya siedeln südlich von Um Ruaba und rund um Tekali, also im Osten von Süd-Kordofan. Zu ihren Nachbarn zählten die Tekali der Nubaberge und die Schilluk des Weißen Nils. Bei anderen Stämmen waren die Awlad Himayd als geschickte Jäger geachtet. Nicht nur Elefanten und Giraffen, sondern auch Raubtiere, wie Löwen zählten zu ihrer Beute. Die übrigen Baggara nannten die Awlad Himayd auch die „Grauen Bienen“ (Nahala el ghibasha), die gefährlichste Bienen-Art in Kordofan. Der Stamm bestand nicht nur aus Nomaden, ein Teil betrieb auch Landwirtschaft. Zur Zeit der Mahdiya hieß der „nazir“ des Stammes Didan, der zu den berühmtesten Stammesführern dieser Zeit zählte. Von seinen Sohn Ibrahim Al Ghoum, einem faris (eine Art Ritter), gibt es ein Reihe von berühmten Jagd- und Kriegsgeschichten. Vor dem Mahdi-Aufstand waren die Awlad Himayd häufig in Kämpfe mit den Nachbarstämmen der Habbaniya und Hawazma verwickelt, wodurch sie viele ihrer Krieger und einen großen Teil der Herden einbüßten. Zunächst wehrten sie sich gegen den Mahdi, wurden aber aufgrund der genannten Schwächung schon bald unterworfen und die kümmerlichen Reste des Stammes in die Armee des Mahdi integriert. Erst mit der Rückeroberung des Sudan konnte die Awlad Himayd in ihre heimatlichen Weidegründe zurückkehren und sich neu formieren.
Rizaykat
Dieser Stamm lebt vollständig in Darfur und ist noch heute der reichste und mächtigste im ganzen Land. Die Rizaykat lebten im äußersten Südosten von Darfur. Ihre Nachbarn waren im Osten die Humar, die Dinka im Süden, die Habbania im Westen und die Ma’alia im Norden. Durch die natürliche Grenze im Norden, die aus einem wasserlosen Band in der Trockenzeit und einem Sumpfgebiet in der Regenzeit besteht, durch ihre kriegerische Art sowie den großen bestand an Pferden konnten sie den Angriffen durch Ali Dinar, dem letzten Sultan von Darfur und Gegner der Mahdiya, wiederstehen.
Ta’aisha
Wie schon erwähnt, bildete der Stamm der Ta’aisha nach dem Aufstieg des Khalifen Abdallahi ibn Muhammad, eine führende Rolle in der neuen Gesellschaft des Sudan. Der Stamm lebte ursprünglich an der Grenze zum Tschad und dem Kongo und damit am westlichsten von allen Baggara. Ihr Hakura, wie die heimatlichen Weidegründe eines Stammes in Darfur genannt wurden, lag im Südwesten von Darfur. Im Osten grenzte der Stamm der Habbania, im Norden die Beni Halba und im Süden die schwarzafrikanischen Fertit an ihr Gebiet. Der Stamm übersiedelte später fast komplett in die neue Hauptstadt Omdurman. Wie die Beni Halba, waren auch die Ta’aisha besonders gute Reiter und stellten in der Mahdiya einen Teil der Kavallerie, die Fursan. Neben dem Khalifen Abdallahi gab es eine ganze Reihe berühmter Amire. Zu Ihnen zählten der Bruder des Khalifen, Amir Yagoup, Amir Mahmoud wad Ahemd, Amir Younis ad El Dikeim, Amir Ahemd Fadeel und Amir Al Khateen Musa.
Beni Halba
Die Beni Halba siedelten südwestlich der Marra Berge in Darfur, mit ein paar Splittergruppen östlich der Berge und in Wadai. Die Reiterei der Beni Halba, die Fursan genannt wurde, nahm eine Schlüsselrolle in der Armee des Mahdis ein. Die Beni Halba waren nicht nur exzellente Reiter, sie züchteten auch erstklassige Pferde. Während der vielen Kämpfe in der Mahdiya wurde der Stamm jedoch stark dezimiert.
Habbaniya
Die Habbaniya hatten ihre heimatlichen Weidegründe zwischen el Rahad und Sheikayla in Kordofan und bei Kalaka in Darfur. In beiden Regionen bewohnten sie viele kleine Dörfer und lebten im Gegensatz zu den restlichen Baggara deutlich sesshafter. Dennoch bauten sie weniger Getreide an, als die östlichen Stämme und waren deshalb auf wilden Reis und „dhifra“ angewiesen. Vor allem war die Jagd auf Elefanten bei Ihnen sehr beliebt. Ihre Nachbarn im Osten waren die Rizaykat, im Westen die Ta’aisha, im Norden die Masalat und im Süden die Dinka. Die Gruppierung der Habbaniya in Kordofan war vor der Mahdiya im ständigen Kriegszustand mit den Stämmen der Gawama’a, Gimala, Hawazma und den Awlad Hamayd. Im Jahr 1876 wurde die Zahl der Habbania mit 8.000 angegeben, wobei ihre Gruppierung in Darfur bevölkerungsreicher gewesen sein soll.
Kenana
Zu den ersten Anhängern des Mahdi, also schon auf der Insel Abba, zählten viele Männer vom Stamm der Kenana. In ihrer Begleitung begab er sich auch zum Berg Gedir. Hier stießen weitere Krieger der Kenana zum ihm und mit ihre Hilfe konnte er die Truppen des Rashid Bey bezwingen. Im Jahr 1885 gehörten viele Männer dieses Stammes (neben den Ga’alin und Deghaym) zur Streitmacht des Amirs Musa was Helu, die bei Abu Klea gegen die Engländer kämpften. In dieser Schlacht wurde fast alle Kenana und Deghaym getötet. Ein Teil des Stammes lebte in Kordofan, in der gleichen Gegend, wie auch der Stamm der Hawazma. Ein anderer Teil siedelte am westlichen Ufer des Weißes Nils in Nachbarschaft zu den Schilluk. Die Kenana züchteten wie die Baggara Rinder und Pferde.
Dieser Amir trägt eine besonders auffällige Lanze mit einer breiten blattformigen Spitze.
Wichtigeste Quellen:
• The Tribes of Northern and Central Kordofán / Harold Alfred MacMichael, 1912
• A history of the Arabs in the Sudan / Harold Alfred MacMichael, 1922
• Baggara of Sudan: Culture and Environment: Culture, Traditions and Livelihood / Biraima M. Adam, 2012
• Der Sudan. Kultur – Reiseführer. Steinerne Gräber und lebendige Kulturen am Nil / Bernhard Streck, 1998
• Beschreibung von Kordofan und einigen angrenzenden Ländern / Ignaz Pallme, 1843
• General Report on the Province of Kordofan, Major H.G. Prout, 1877
Ein Großteil der Fotos stamm übrigens von Hugo Bernatziks, der in der Zeit von 1925 bis 1927 im Sudan unterwegs war.
Perfekt Frank. Ich finde es sehr spannend und wichtig auch die „andere“ Seite zu zeigen, erklären. Häufig ist die Sichtweise des Konfliktes zu anglozentristisch, ähh Entschuldigung, man sagt ja anglophil um das Ganze abzumildern.😀
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Danke Koppi! 🙂
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