La Haye Sainte

Ich bin derzeit wieder mal im Waterloo-Modus und bereite gerade ein Skirmish-Szenario für ein TableTop-Wochenende vor. Thema des Szenarios sind die Kämpfe um die Farm La Haye Sainte während der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um alte Waterloo-Urlaubsfotos auszubuddeln und auch ein paar Recherchen zu betreiben. Es ist nicht geplant, den Gebäudekomplex völlig neu als Modell zu bauen, ich werde mein altes Exemplar verwenden, das noch irgendwo auf dem Dachboden schlummert, aber für das Szenario brauche ich zumindest ein Gefühl für die Gegebenheiten und Ereignisse vor Ort. Zunächst will ich einen Blick auf die Farmgebäude und die dazugehörigen Gärten werfen. Los geht’s.

La Haye Sainte vom Löwenhügel aus gesehen.

Und so erblickt man die Farm von der ehemaligen rechten Front der Anglo-Alliierten Armee aus gesehen.

Geschichte der Farm

Der Name der Farm setzt sich vermutlich aus dem französischen Wort “haye”, was eine Weide bezeichnet, die von Hecken begrenzt wird und dem Familiennamen des Grund- oder Hofbesitzers, der wohl im Mittelalter Sainte lautete, zusammen. Diese Zusammensetzung eines Namens für einen Hof ist typisch für diese Region. Die erste Farm, wurde noch vor 1536 von der reichen Bauersfamilie Moitomont gebaut. Im Jahr 1618 wurde der Hof an Jean Glibert verkauft, später von seinem Vater Henry Glibert und seinem Schwiegersohn Francois Boucquéau bewirtschaftet. Zu dieser Zeit gehörten zum Hof ca. 70 Hektar an Feldern und Weiden. Henry Glibert starb 1664 und sein Schwiegersohn verwaltete die Farm bis zu seinem Tot im Jahr 1687. Im Jahr 1696 wurde ein Großteil der Gebäude im Krieg zerstört und die Witwe von Boucquéau vererbte die Farm an ihren Sohn Francois. Francois Boucqéau gelang es das Anwesen zu renovieren und auszubauen. Im Jahr 1696 kaufte er außerdem die Farm Le Caillou. Als er im Jahr 1770 starb, wurde sein Sohn Jean Baptiste sein Nachfolger. Dieser zog in das Farmgebäude von Le Caillou und verpachtete den Hof La Haye Sainte. Als er 1775 starb, verkauften die Erben die Farm an Charles-Henri Ghislain Boot de Lombeek, dem Graf von Velthem für einen Preis von 27.000 Gulden. Nach seinem Tot 1829 gelangte der Besitz in die Hände der Familie Spoelberg und schließlich in die von Cornet d’Elzius von Chenoy. Im Juni 1815 war die Farm an einen Mann mit Namen Pierre Moreau verpachtet. Vor der Schlacht hatten die Bewohner das Gebäude verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Es wird erzählt, dass er beim Anblick der Farm nach der Schlacht völlig verzweifelt war und so folgte ab dem 18. August ein neuer Pächter, die Familie von Martin Viseur, die den Hof bis ins späte 19. Jahrhundert bewirtschaftete. Im Jahr 1889 zog Théodore de Dobbeleer in das Gebäude und seine Nachfahren wohnen bis heute dort.

Die Farmgebäude von La Haye Sainte von oben gesehen.

Aufbau der Farm

Während der Schlacht blieb La Haye Sainte relativ unbeschädigt, nur die große Scheune war in Brand geraten. Das ist auch der Grund, warum der Hof noch bis heute seinen ursprünglichen Charakter erhalten konnte. Die Farm besteht aus mehreren Gebäuden, die u-förmig um einen Innenhof gruppiert und durch eine hohe Mauer von der Straße getrennt sind. Der Gebäudekomplex umfasst eine Fläche von 60 m Länge und 50 m Breite. Nördlich der Gebäude erstreckte sich ein Küchengarten und im Süden eine Obstwiese. Die Gebäude und Mauern sind vorwiegend aus Ziegelsteinen erbaut und im Jahr 1815 waren Häuser, außer den kleinen Ställen mit Schieferplatten gedeckt. Man erkennt jedoch, dass die Sockel der Mauern und Wände aus Feldsteinen bestehen und die Mauer des Küchengartens sogar vollständig aus diesen errichtet ist. Es könnte sein, dass die Feldsteine noch zur zerstörten Farm vor dem Jahr 1696 gehören, auf denen dann die neuen Gebäude errichtet wurden. Die Steinwände und Mauern waren mit weißer Kalkfarbe gestrichen. Die Tür- und Fenstereinfassungen, des Wohngebäudes sowie die Fensterkreuze waren aus grauem Sandstein gefertigt. Die Holztüren und Toren waren im Jahr 1815 vermutlich naturbelassen, heute sind sie in dunkelgrüner Farbe gestrichen. Der Innenhof war zumindest teilweise mit einen Kopfsteinpflaster ausgelegt. Die gesamte Farm, einschließlich der beiden Gärten, hatte eine Breite von rund 80 m und eine Länge von gut 360 m.

Die Farm liegt einst wie heute an der großen Hauptstraße von Charleroi nach Brüssel, weniger Kilometer vor Waterloo. An dieser Stelle verläuft die Straße druch eine Senke in der Landschaft.

Schon damals war die viel befahrende Straße mit Feldsteinen gepflastert. Typisch der sogenannte Sommerweg neben der Straße.

Die Farm lag ziemlich genau im Zentrum des Schlachtfeldes, rund 250 Meter vor der Frontlinie der Allierten.

Scheune

Der südliche Teil des Hofes bestand aus einer riesigen Scheune. Das Gebäude hatte eine Grundfläche von 14 x 36 m und eine Giebelhöhe von 11 m. Die Scheune besaß zwei große Tore, eines im Westen und eines im Osten, durch welche Wagen fahren und so die Ernte direkt in der Scheune abladen konnten.

Die westliche Giebelfront der Scheune.

Das westliche Tor führte von den angrenzenden Feldern in die Scheune und das östliche Tor in den Innenhof der Farm. An der Längsseite der Scheune gab es im Innenhof außerdem ein Überdach zum Unterstellen von Landwirtschaftlichen Geräten, welches von 3 Balken gestützt wurde. Zwischen der Hofmauer und dem östlichen Scheunentor lag ein kleiner Wassertümpel und weiterer Teich soll in der Mitte des Innenhofes gelegen haben.

Gut erkennbar sind die große Scheune, das Tor und die Durchfahrt im Stallgebäude.

Außenmauer und Tor

Zur Straße im Osten wurde der Innenhof von einer hohen Mauer abgegrenzt, die von einem großen Tor, dem Haupteingang, unterbrochen wurde. Das Tor war zur Straße hin als Sandstein-Bogendurchfahrt gestaltet und mit einem kleinen Dach versehen. Auf der Innenseite, über der Toreinfahrt, war ein Taubenschlag untergebracht.

Die Rückseite des Haupttores mit dem Taubenschlag.

Neben dem Tor in Richtung Norden gab es außerdem einige kleine Ställe für Schweine und Kleinvieh sowie eine Remise für landwirtschaftliche Geräte und Wagen. Der nördliche Teil des Hofes wird hauptsächlich vom Wohnhaus, das aus dem 17. Jahrhundert stammt, eingenommen. In der Außenmauer, zwischen Schweinställen und Wohnhaus gab es außerdem eine kleine Tür, die zur Straße führte.

Diese alte Postkarte zeigt die alten Schweineställe und die Remise.

Wohngebäude

Das Wohnhaus hat eine Grundfläche von 22 x 14 m und eine Giebelhöhe von 13 m. Zum Innenhof hin gab es eine Eingangstür, zu der ein paar Stufen hinauf führten und 3 große Fenster im Erdgeschoss sowie drei kleine Luken auf der westlichen Seite darüber. Im Dach waren außerdem zwei Reihen Dachgauben eingelassen. Die 4 Gauben in der oberen Reihe waren etwas kleiner als die drei in der unteren Reihe. Hier lagen anscheinend die Schlafräume der Knechte und Mägde sowie ein Vorrastraum.

Diese alte Postkarte zeigt das Wohnhaus vom Hof aus gesehen. Hier fehlt noch die zweite Tür, die später eingefügt wurde und es sind noch die Dachgauben erhalten.

An der nördlichen Fassade des Wohnhauses gab es einen kleinen überdachten Anbau, der eine natürliche Quelle umschloss. Links und rechts daneben lagen zwei Türen und 3 große Fenster. Zur Straße hin, in der östlichen Giebelwand, befand sich im 1. Stock eine kleine Tür, die bis zum Fußboden des 1 Stockes reichte. Über dieser Öffnung war ein Balken mit Flaschenzug angebracht. Hier konnten also Vorräte direkt von der Straße ins Haus geschafft werden. Links und rechts neben der Tür hatte man außerdem zwei sehr kleine Fenster eingelassen.

Das Wohngebäude vom Küchengarten aus gesehen. Hier fehlt der Anbau, der die Quelle umschloss. Jetzt nur am Rundbogen neben der Tür zu erkennen.

Diese alte Foto zeigt nach den Anbau und auch die Remise, die an das Wohnhaus grenzt.

Der Blick auf die gleiche Stelle heute.

Stallungen

An die westliche Giebelwand des Wohngebäudes schloss sich das Stallgebäude an, das nach rund 28 m im rechten Winkel nach Süden abknickte und nach weiteren 32 m mit seinem Ende an die große Scheune stieß. An diesem südlichen Ende befand sich eine große Durchfahrt mit einem Tor, die von den Feldern direkt in den Innenhof führte. Auch dieser Eingang war groß genug, damit eine beladener Wagen hindurch fahren konnte. Die Stallgebäude hatten eine Tiefe von 8 m und eine Giebelhöhe von rund 9 m. Zum Hof hin gab es insgesamt 10 Stalltüren, die in einzelne Boxen führten und eine ganze Reihe von kleinen und großen Fensteröffnungen. In diesen Gebäudekomplex hatte man vermutlich die Kühe und Pferde untergebracht. An der Nordseite der Stallungen befand sich eine weitere große Remise, also ein großes Überdach, dass von schweren Stützbalken getragen wurde.

Gut zu erkennen ist das langgezogene Stallgebäude zwischen der Scheune und dem Wohnhaus.

Diese alte Foto zeigt die Durchfahrt am südlichen Ende der Scheune.

Küchengarten

Nördlich der Gebäude schloss sich ein Küchengarten mit einer Fläche von 60 m Breite x 80 m Länge an, der im Norden und Westen von einer Hecke umgeben war. Die Ostseite wurde von einer Feldsteinmauer abgegrenzt. In der Mitte, angelehnt an die Außenmauer befand sich ein kleines Gebäude mit Giebeldach, das als Gartenhaus bezeichnet wurde und vermutlich zur Lagerung des Feuerholzes diente.

Das sogenannte Gärtnerhaus im Küchengarten.

Gut zu erkennen ist das Flickwerk von Feld- und Ziegelsteinen.

Obstgarten

Südlich der großen Scheune gab es früher einen großen Obstgarten mit einer Breite von 80 m und einer Länge von rund 200 m. Der Garten war im Westen, Osten und Süden von einer Hecke umgeben. Zwischen den Obstgarten und dem Innenhof gab es eine kleine Tür gleich neben der großen Scheune. Die Tür wird allerdings in keinen Berichten erwähnt.

Diese alte Abbildung zeigt den südlichen Abschnitt der Außenmauer des Hofes. Die dunkle Fläche ganz links an der Mauer zeigt die Tür, die zum Obstgarten führt.

Dieses Foto aus den 1960er Jahren zeigt die Tür zum Obstgarten am besten.

Ein weiteres Foto aus den 60er Jahren. Hier sind noch gut die Umrisse des Obstgartens zu erkennen.

Ehrentafeln

An der Straßenfront des Hofes sind einige Ehrentafeln angebracht, welche an die Einheiten und Männer erinnern sollen, die hier einst gekämpft haben.

Gedenkplakette für die KGL an der Giebelwand des Wohnhauses.

Ehrentafel für Major Baring und Colonel von Ompteda.

Gedenktafel für Marschall Ney und die Einheiten des Angriffs von 18.30 Uhr

Gedenktafel für die Franzosen, die an den Kämpfen um Lay Haye Sainte teilgenommen haben.

Unmittelbar nördlich der Farm stehen ein Denkmal für Oberstleutnant Alexander Gordon (links) und eines für die Hannoveraner (rechts).

16 Kommentare zu „La Haye Sainte“

  1. …sagenhaft exakte Recherche!!! Danke für diese ganzen Info´s!! Ich will mich demnächst an ein Diorama von La Haye Sainte heranwagen; leider ist der Italieri-Bausatz derzeit nicht verfügbar: aufgeschoben ist nicht aufgehoben..!
    Kurze Frage: in Berichten über die Nacht des 17ten auf den 18ten Juni 1815 wurde ein Torflügel teilweise wohl zu Feuerholz verarbeitet und am Tage der Schlacht notdürftig repariert- weiß man, welcher Torflügel genau das war..?
    Viele Grüße
    Steffen

    Like

    1. Hall Steffen, danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir der Bericht gefällt.
      Am Vortag der Schlacht wurde tatsächlich das Scheunentor auf der Westseite der großen Scheune zerstört und in den Wachfeuern der Nacht verbrannt. Viele Grüße Frank

      Like

      1. …alles klar; Danke!! Ich möchte vorm Beginn des Diorama´s möglichst viel recherchieren…möglicherweise kommen noch mehr Fragen.. 🙂
        Viele Grüße
        Steffen

        Like

      2. …sorry; grade erst gesehen hier im Blog: das heißt also, daß die herinströmenden Franzosen also – etwa ab 18 Uhr- quasi über die Trümmer des erst vor Stunden reparierten Holztores gestiegen sind, nachdem sie selbiges eingeschlagen haben. Tja, dann werd ich das mal so darstellen: wird aber noch was dauern mit meinem Diorama; gerade erst melden verschiedene Händler den Italieri-Baukaschde als verfügbar; wenn der Ende April im Beipackcontainer landet sinds nur noch etwa drei Monate, bis er hier auf meinem Tisch landet: bis dahin beschäftige ich mich weiterhin mit den Details rund ums Gehöft- und natürlich dem Vormerken der nächsten Figurenset´s: Firma Hät scheint da gute Figuren anzubieten. Aber ich muß auch mein Wissen um Figurenbemalung erweitern…Und natürlich einen Farbenvorrat anlegen/importieren- das geht dann aber schneller als drei Monate. 🙂
        Viele Grüße aus Südamerika
        Steffen

        Like

  2. Du wohnst in Südamerika? Wo denn da genau? Und jetzt verstehe ich auch die „Lieferverzögerungen“. Es ist sicher schwer dort an Hobby-Material zu kommen, oder?

    Im Tactica – Themenraum 2015 (die Tactica ist eine TableTop-Veranstaltung in Hamburg, die bei deren Organisation ich beteiligt bin) hatten wir übrigens auch Frank Herberger mit seinem La Haye Sainte Diorama zu besuch. Vielleicht gibt es da ein paar Anregungen für dich:

    TACTICA 2015 – Waterloo Themenraum

    Und Frank Herberger hat auch eine eigene Homepage, wo er das Diorama in allen Details vorstellt:

    https://www.8eme.de/napoleonische-soldaten-en-miniature/werke-von-frank-herberger-frevert/ein-diorama-entsteht-sturmangriff-auf-la-haye-sainte-18-juni-1815/

    Viele Grüße Frank

    Like

  3. ..und wieder hab ich erst zu spät Deinen Eintrag gesehen- dabei bin ich doch derzeit mehrfach täglich auf Deiner Seite…
    Ja, mit dem Frank Herberger-Frevert bin ich auch in Verbindung… 🙂 Ist ja klar.
    Heute nun wieder eine Frage, genau geht es um das Wohnhaus mit den 2 Reihen Gauben: auf dem historischen s/w-Photo befindet sich nur EINE Tür- rechts: auf vielen Dioramen werden 2 Türen dargestellt- aber wieso? Derzeit sind ja 2 Türen tatsächlich drin- aber was war am 18. Juni 1815? War die 2te Tür da drin und wurde später vermauert & später wieder geöffnet (bis heute..)?
    ……
    Mein Wohnort ist in Villarrica; haste ja schon gefunden: ) Für Modellbau gibts hier in der Gegend eher nix; aber jede Menge Gräser, Pflanzen & Holz für Diorama. Der „Rest“ muß halt importiert werden vom geneigten Modellbauer- klappt aber gut. 🙂
    Gut, soweit zunächst- viele Grüße zum Wochenende
    Steffen

    Like

  4. Hallo Steffen, die Sache mit der 2. Tür steht auch in einer Bildunterschrift im Text oben: “ Diese alte Postkarte zeigt das Wohnhaus vom Hof aus gesehen. Hier fehlt noch die zweite Tür, die später eingefügt wurde und es sind noch die Dachgauben erhalten.“. Viele Grüße nach Villarrica!

    Like

  5. …klingt jetzt fast wie bei Quentin Tarantino: öhm…wegen dieser Tür nochmal…im Diorama von Meister Herberger-Frevert isse aber schon drin- deswegen kam ich ja auf diesen Gedanken: erst war se drin, dann vermauert und später wieder geöffnet..nee, klingt fast unlogisch, oder..? Ich hoff` nich nerv` jetzt nicht… 🙂
    Viele Grüße aus der Regenfront Villarrica!
    Steffen

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..