Die schöne Stadt Albert mit ihrem auffälligem Basilika-Turm und dem majestätischen Rathaus liegt versteckt in der hügeligen Landschaft Nordfrankreichs. Albert war im 1. Weltkrieg der Hauptort hinter den Linien der Alliierten auf den Somme-Schlachtfeldern von 1916. Als Basis für Schlachtfeldtouren in dieser Region ist der Ort einer der zentralsten, obwohl sowohl Unterkünfte als auch Restaurants nur in begrenzter Zahl vorhanden sind. Gegessen habe ich jedoch ganz ausgezeichnet in einer Brasserie in der Nähe des Museums.
Basilika
Im Zentrum von Albert befindet sich eine der bekanntesten Ikonen der Briten im Ersten Weltkrieg – die Goldene Jungfrau auf der Basilika. Die goldene Statue der Madonna, die ihr Kind hochhielt, war von weitem sichtbar und natürlich ein ausgezeichnetes Ziel für feindliche Artillerie. Die Basilika wurde im Januar 1915 stark durch deutsche Artillerie beschädigt, wobei auch die Statue von ihrem Sockel gestoßen wurde. Sie blieb jedoch schräg geneigt an der Turmspitze hängen. Später wurde die Statue von den Franzosen in dieser Position gesichert.
Die Deutschen rückten während ihrer Frühlingsoffensive 1918 in Albert ein. Den Alliierten war wohl bewusst, dass der Turm von den Deutschen als ausgezeichneter Beobachtungspunkt genutzt werden würde. So war es schließlich die britische Artillerie, die den Turm anvisierte, beschoss und so die Statue vom Turm holte. Albert wurde vier Monate später von den Briten zurückerobert, und drei Monate später war der Krieg beendet. Nach dem Krieg wurde die Basilika wiederaufgebaut und die goldene Statue ersetzt. Nun dominiert die Madonna wieder die Stadt und ist schon aus großer Entfernung sichtbar, wenn sie in der Sonne schimmert.
Museum
Das Museum wurde 1992 in einem 230 Meter langen und 10 Meter tief gelegenen Tunnel aus dem 13. Jahrhundert eingerichtet, der während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker diente. Sein Eingang befindet sich neben der Basilika Notre-Dame de Brebières.
Mit Hilfe von Beleuchtung, Bildern und Geräuschkulisse vermittelt die Ausstellung einen authentischen Eindruck vom Alltag in den Schützengräben. Zusätzlich zu den 15 ausgestalteten Dioramen-Nischen werden in 18 Vitrinen verschiedene Dokumente, persönliche Erinnerungsstücke, Waffen und Ausrüstung präsentiert. Neben den Dioramen gibt es einen Film über den Krieg, Hunderte von Fotografien und viele persönlichen Gegenständen von Soldaten, die hier gekämpft haben.
Im Museums-Shop gibt außerdem es eine erstaunlich große Auswahl an Original-Artefakten zu erwerben.
Wenn man das Museum betritt, wird einem eine Karte mit einem Namen angeboten. Jede Karte repräsentiert einen Soldaten – britisch, australisch oder deutsch. Wenn man das Museum verlässt, hat man die Möglichkeit, über den Hintergrund und die Erfahrungen „seines“ Soldaten zu lesen. Mein Soldat war Reinhard Sorge aus Rixdorf bei Berlin:
Reinhard Johannes Sorge wird 1892 in Rixdorf – heute der Berliner Stadtteil Neukölln – als ältestes von drei Kindern geboren. 1905 erkrankt der Vater schwer, und die gutsituierte Familie gerät in Not: Gerne verlässt Reinhard das ungeliebte Gymnasium und tritt eine kaufmännische Lehre an. Doch er zerbricht am reglementierten Berufsalltag und leidet unter schweren Depressionen. 1908 kehrt er aufs Gymnasium zurück. Nach dem Tod des Vaters zieht die Mutter mit den drei Kindern nach Jena. 1910 verlässt Sorge nach der Unterprima die Schule mit der Absicht, Schriftsteller zu werden. Schon 1908 hatte er ein größeres episch-dramatisches Gedicht «Kinder der Erde« verfasst. Vor allem George, Nietzsche und Ibsen sind seine Vorbilder. 1911 lernt er seine spätere Frau Susanne kennen und beginnt mit der Arbeit am «Bettler». 1912 erhält er für dieses Stück, das als erstes expressionistisches Drama gilt, den Kleist-Preis. 1913 heiratet er. Auf der Hochzeitsreise nach Rom konvertiert das junge Paar zum Katholizismus. Die nächsten zwei Jahre verbringt die Familie in der Schweiz; Sorge trägt sich mit dem Gedanken Priester zu werden. 1914 beginnt der Krieg, und Sorge erhält 1915 seinen Einberufungsbefehl. Während der Somme-Schlacht 1916 wird er schwer verwundet und stirbt auf dem Hauptverbandsplatz von Ablaincourt in Frankreich an seinen Verletzungen. Die Uraufführung des «Bettlers» findet 1917 unter der Regie von Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin statt.
Rundgang
Der Rundgang des Museums verläuft durch die langen, unterirdischen Tunnel.
Der Rundgang beginnt an einigen Vitrinen mit hunderten von Artefakten, die im Schlamm auf dem Schlachtfeld gefunden wurden.
Im Kontrast dazu der Kunst und Kitsch mit dem der Krieg vermarket wurde.
Das erste lebensgroße Diorama zeigt eine französische Flugfeld-Baracke in der Region der Picardie und ihr Innenleben.
Wurde ein Flugzeug abgeschossen, so wurde als Beweis des Abschusses häufig die Seriennummer, Maschinengewehre oder das National-Abzeichen als Souvenir mitgenommen. Hier zu sehen ist das Original-Emblem eines deutschen Flugzeuges.
Mit solchen Fotoapparaten wurden tausende von Luftaufnahmen gemacht, die vor allem der Artillerie zur Bestimmung von Zielen dienten.
Diese Vitrine befasst sich mit der bereits erwähnten berühmten Basilika von Albert.
Ein Soldat der Chasseur Alpin. Die französischen Gebirgsjäger wurden in die Somme-Region verlegt, um an der Offensive am 01.07.196 teilzunehmen.
Berüchtigt war die Westfront nicht nur für ihren Grabenkrieg, sondern auch für den Krieg unter der Erde.
Vor allem französische und englische Bergarbeiter wurden eingesetzt, um Tunnel unter die deutschen Stellungen zu graben, dort Sprengladungen zur Detonation zu bringen und so Breschen in die feindlichen Linien zu schlagen.
In britischen Lazaretten wie diesem, wurden einige der 38.000 Verwundeten vom 1. Juli 1916 versorgt. Die Lazarette befanden sich häufig hinter einer Anhöhe oder einem Hügel, um so gegen feindlichen Beschuss gedeckt zu sein.
Nach der Erstversorgung wurden die verwundeten Soldaten in Privatunterkünften untergebracht.
Captain W.P. Nevill vom East Survey Regiment hatte die Idee, den Angriff seiner Männer am 1. Juli 1917 in eine Art Fußballspiel zu verwandeln. Wer als erster den Fußball in einen deutschen Graben schoss, sollte eine Belohnung erhalten. Fast alle Männer dieser Einheit, einschließlich Captain Nevill, wurden während des Sturmlaufs getötet.
Die beiden Soldaten der 36. Ulster Division in dieser Kommunikationszentrale gehören dem Oranier-Orden an und tragen deshalb die Schärpen in orange. Der Helm ist mit einem Leinensack bedeckt, um so Reflektionen zu verhindern, die einem Feind die Position verraten könnte.
Ein französischer Soldat in Uniform, die zu Beginn des 1. Weltkrieges getragen wurde. Da die rote Hose und das rote Käppi schon aus weiter Ferne zu sehen war, boten die Männer ein leichtes Ziel für den Feind.
Ab 1915 wurde aus diesem Grund eine neue hellblaue Uniform und ein Stahlhelm, der sogenannte Casque Adrian, von den Franzosen getragen (Figur rechts).
Waffen
Gewehr und Bajonett, ob nun britisches Lee Enfield, deutsches Mauser Gewehr 98, russisches Mosin-Nagant oder französisches Label, bildeten eine Einheit und waren die Hauptwaffe der Infanterie.
Die Szene zeigt einen britischen Scharfschützen mit einem Lee Enfield SMLE, ausgestattet mit Zielfernrohr.
Die wohl effektivste Waffen der Infanterie, die drei Standard-Maschinengewehre des 1. Weltkrieges: das britische Vickers, das französische Hotchkiss und das deutsche Maxim.
Die Franzosen verwendeten schwere Hotchkiss-Maschinengewehre (lehnt an der Wand) die eine Reichweite von 2.500 Metern hatten. Der Soldat trägt einen Schulterschutz und Kettenhandschuh, um sich vor Verbrennungen zu schützen, denn das Hotchkiss war nicht, wie beispielsweise das Vickers-Maschinengewehr, mit einer Wasserkühlung ausgestattet. Am Boden steht ein 37mm Schnellfeuergeschütz mit Schutz vor Flammenwerfern, die gegen deutsche Maschinengewehrnester eingesetzt wurden.
Die Szene zeigt deutsche Soldaten in einem Bunker an einem Maxim MG08.
Verschiedene Granat- und Minenwerfer.
Ein deutscher Mörser, der sogenannte Minenwerfer.
Im Grabenkampf, wo es Mann gegen Mann ging, wurden eine ganze Reihe von unterschiedlichen offiziellen Klingenwaffen und Eigenproduktionen, wie umgebaute Werkzeuge und Schanzgerät, eingesetzt.
Schon bald wurde der unnütze Säbel der Offiziere ausgemustert und nicht mehr im Feld getragen.
Die Pistole war nun die einzige Waffe der Offiziere.
Jede Nation setzte auf ihre eigene Variante der Handgranate, die natürlich im Grabenkampf eine große Rolle spielte.
Der 1. Weltkrieg war in erster Linie ein Krieg, der von der Artillerie geführt wurde. Rund 70 % aller Verluste gehen auf das Konto von Artillerie-Granaten. Zudem verwandelte der Beschuss die Schlachtfelder in Mondlandschaften mit unzähligen Granattrichtern.
So sah die Hauptstraße von Pozieres vor dem Krieg aus…
…und so nach dem Beschuss durch Artillerie.
Am 17. September wurde der Ort Flers mit Hilfe der ersten Panzer, dem Mk I Tank erobert. Ein neues Kapitel in der Kriegführung wurde damit aufgeschlagen.
Es folgten auch bald französische Panzer, wie der Renault FT 17, der erste Panzer mit drehbarem Turm.
Ausrüstung
Für die Infanterie so wichtig wie Gewehr und Bajonett, das Schanzwerkzeug und die Drahtschere.
Schon wenige Monate nach Kriegsbeginn wurden die Feldmützen und Pickelhauben durch Stahlhelme ersetzt, wobei jede Nation eigenen Vorstellungen von Form und Farbe hatte.
Die Gasmaske wurde zum ständigen Begleiter der Soldaten.
Hier sind zwei schottische Soldaten während eines Gas-Angriffs zu sehen. Die offizielle britische Gasmaske bestand aus imprägniertem Stoff mit zwei Sichtfenstern und einem Atemschutzfilter.
Die Offiziere waren zu Zwecken der Kommunikation und Observation meist mit Ferngläsern und Signalpistolen ausgerüstet.
Auch ein Kompass gehörte zur Ausrüstung der Offiziere.
Mit der Signalpfeife wurde der Befehl zum Infanterie-Angriff oder zum Gegenstoß gegeben.
Diese deutschen Soldaten tragen 4 Kilogramm schwere Stirnpanzer, die ihren Helm kugelsicher machten. Der Soldat im Hintergrund ist sogar mit dem 9 Kilo schwerem Sappenpanzer ausgerüstet. Eine Kombination, die aufgrund ihres Gewichts kaum von den deutschen Soldaten verwendet wurde.
Auch die Franzosen hatten einen kugelsicheren Gesichtsschutz zu bieten.
Schützengraben
Während des Krieges wurden dutzende von Graben-Zeitungen, wie „Le Carfard Enchaine“ und „The Somme Times“ herausgegeben, mit den sich die Soldaten die Zeit vertrieben, wenn sie nicht gerade Briefe und Postkarten schrieben oder im Gebet vertieft waren.
Ab Oktober 1916 verwandelten sich die Gräben in sogenannten „Porrige“, einen Schlammbrei, der im Winter gefror und bei vielen Soldaten zum berüchtigten „Trench-Foot“ führte, bei dem die Zehnen und Füße abstarben.
Heute begehrte Sammlerstücke, die sogenannte „Grabenkunst“.
Fotos und Briefe waren der wertvollste Besitz eines einfachen Soldaten.
Die Deutschen hatten nach und nach ein ausgefeiltes Verteidigungssystem eingerichtet, zu dem auch gut ausgestattete Unterstände wie dieser gehörten.
Viele Exponate konzentrieren sich auf einzelne Soldaten und enthalten Erinnerungsstücke, Briefe, Alltagsgegenstäne, Medaillen, Fotografien usw., die die Soldaten zum Leben erwecken.
Mit Hilfe von Spiegeln konnte man ungefährdet einen Blick über den Grabenrand werfen.
Der deutsche Schützengraben hatte eine Tiefe von zweieinhalb bis drei Metern. Die Seitenwände und Brüstungen waren mit Sandsäcken oder Faschinen verstärkt, der Boden mit Holzbrettern ausgelegt, damit die Männer nicht im Schlamm versanken.
Ausgang
Gegen Ende des Museums kommt man zu einer geschlossenen Tür und einem Schild mit der Aufschrift: Liebe Besucher, Sie betreten die Passage „Ton und Licht“. Danke, dass sie ruhig bleiben und nicht rennen. Dieser Korridor zielt darauf ab, die Geräusche und visuellen Eindrücke in den Gräben während des Bombenangriffs in der Nacht nachzubilden. Diese kurze Passage soll eine ernüchternde Erinnerung daran sein, was die Soldaten Tag für Tag, Monat für Monat während dieses langen Krieges durchgemacht haben.
Wenn man das Museum verlässt, nachdem man die 250 Meter unter der Erde gewandert ist, landet man in einem Garten der Erinnerung, mit Gedenkstätten und Statuen des 1. Weltkrieges, welcher quasi den Abschluss des Museums-Rundgangs bildet.
Danke für den ausführlichen Bericht, wäre sicher einen Besuch wert!
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Hallo Heinz, auf jeden Fall. Und willkommen auf meiner Homepage. Gruß Frank
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