Kampf um EL Obeid

Die Stadt El Obeid

Nördlich der Nuba-Berge, rund 300 Kilometer westlich vom Weißen Nil entfernt, liegt die Hauptstadt Kordofans, El Obeid genannt. Der Name stammt von einer Senke, in der sich auch noch lange nach Regenfällen trinkbares Wasser sammelt. Nach einer alten Legende stürzte das Pferd eines Häuptlings in einen Regenteich, blieb im Schlamm stecken und ertrank. Die Einheimischen nannten den Ort deshalb „Fuhla chossahn el abiadt“, den Regenteich des weißen Pferdes und später einfach „el abiadt“, woraus schließlich El Obeid wurde. Die Stadt liegt inmitten der großen Ebene des nördlichen Kordofan und wird dort auf einer Höhe von 585 m im Südosten vom Berg Kordofan, im Norden vom Bergkegel Korbatsch und im Nordwesten vom kleinen Om-Heresa eingerahmt.

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Der Berg Kordofan

Die Ebene ist in der trockenen Jahreszeit wüstenähnlich, nur einige große Adansonia, besser bekannt unter dem deutschen Namen Affenbrotbäume, zeigen an, dass man die Wüste hinter sich gelassen hat und die Savanne erreicht ist. Man schätzt, dass um das Jahr 1880 rund 30.000 bis 50.000 Einwohner (Ohrwalder spricht sogar von 100.000 Einwohnern) in der Stadt lebten.

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El Obeid entwickelte sich einst aus sechs Dörfern, die zu einem Ort zusammenwuchsen. Diese ehemaligen Dörfer entsprachen später den sechs Bezirken der Stadt, welche von ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bewohnt wurden. In Urdi (El-Orta) lebten die Türken und Ägypter sowie die unter ihrem Befehl stehenden Soldaten. In Danakla im Wadi Naghele fand man die aus Nubien eingewanderten und dort stand auch eine aus Stein erbaute Moschee. In Marharba wohnten die „Ausländer“, meist Nordafrikaner aus Algerien und Marokko, die einst im Dienst der Regierung gestanden hatten. Wadi-Safie war der Wohnplatz eingewanderter Schwarzafrikaner und Takarir bzw. Takruri das Dorf der Pilger, in welchem sich ebenfalls viele Schwarzafrikaner aufhielten. In Kongeri standen schließlich die Wohnstätten der ehemaligen Einwanderer aus Darfur. Der Stadtsteil Urdi galt als das Regierungsviertel, in dem auch der Palast des Gouverneurs, die Mudirie lag. Diese Gebäude war das einzige, das aus Backsteinen und mit einem flachen Dach errichtet war. Es besaß ein großes Tor und ein turmähnliches Stockwerk darüber, von dem aus man einen weiten Blick über die Gegend genoss.

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Eine der ganz wenigen Darstellungen der Stadt El Obeid. Interessant auch die Telegrafenleitung, die zum Regierungsgebäude führt.

Gleich daneben fand man die von einer hohen Mauer umgebene Kaserne der Garnisonssoldaten. Die Unterkünfte dieser Regierungstruppen bestanden aus 40 einfachen Hütten, die man in zwei Reihen nebeneinander errichtet hatte. Im selben Stadtteil hatte man auch das Hospital der Stadt eingerichtet, dass allerdings eine furchtbaren Ruf besaß und in keiner Weise europäischen Maßstäben entsprach. Neben den typischen Rundhütten gab es in El Obeid auch eine Anzahl der im Nord-Sudan verbreiteten viereckigen Lehmgebäude, Rabukas genannt. Die Stadt besaß außerdem eine christliche Missionsstation, zu der auch eine kleine Kirche gehörte.

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Das einzige mit bekannte Foto, welches den Turm der Mudirie von El Obeid zeigt.

Das Zentrum von El Obeid bildeten der Markt mit den umliegenden Handelshäusern der griechischen, ägyptischen und syrischen Kaufleute sowie die Hütten der Handwerker. In diesen Gassen fand man auch das einzige Kaffeehaus der Region, welches vor allem von den türkischen Offizieren aufgesucht wurde. Im Übrigen war El Obeid, wie auch Bara, durch eine Telegrafenleitung mit der Hauptstadt Khartoum verbunden.

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Ein weitere Zeichung von El Obeid. Man erkennt sofort, dass es sich eher um ein großes Hüttendorf, als eine Stadt handelt.

Der größte Teil der Stadt bestand aus einfachen, strohgedeckten Lehmhütten, die noch heute Tokhal oder Tukul genannt werden. Diese sind rund, mit einem Durchmesser von 3 bis 4 Metern. Die Hütte besitzt nur eine kleine, niedrige Öffnung, die als Tür, Fenster und Rauchabzug dient. Die ca. 1,5 m hohen Wände der Hütte bestehen aus Holzstangen, die mit Zweigen und Stroh dicht verflochten werden oder sie sind aus Stein und Lehm errichtet. Auf diesem Rundbau wird ein Strohdach, geformt wie ein Zuckerhut gesetzt. Die Spitze des Daches bildet ein Korb, der dem schwarzen Storch als Nest dient. Denn auch im Sudan, wie auch in unseren Breiten, gilt der Storch als Glückbringer. Ist kein Nest auf dem Tukul vorhanden, dann werden zur Zierde senkrechte Stangen mit zwei bis vier Straußeneiern in das Dach gesteckt.

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Ein typischer Tokhal mit einer Lehmziegelaußenwand.

Zwei bis fünf Hütten werden zum Schutz vor Tieren mit einem Dornenzaun umgeben und bilden die Wohnstätte einer Familie. Für gewöhnlich befindet sich im Hof ein Brunnen. Der einfache Tukul (ohne Lehm und Steine) ist leicht und nicht fest mit dem Erdreich verbunden. Soll der Standort der Familie gewechselt werden oder bricht in der Nähe ein Feuer aus, so können die Hütten von rund einem Dutzend Personen weggetragen werden. Neben den Wohnhütten gibt es auch Wirtschaftsgebäude, wie das Moraka, in dem das Mehl gerieben wird. An Getreide wird vor allem Durra und Doghen, in unseren Breiten auch als Sorghumhirse bekannt, angebaut und verarbeitet. In Trockentäler findet man häufig Melonen, die hier wild wachsen oder auch angebaut werden. Die Einrichtung der Hütten war sehr einfach. Neben dem Angareb, dem hölzernen Bettgestell mit Lederriemen oder Seilen bespannt, fand man unterschiedliche Töpfe (Burma). Einer der Töpfe enthielt Wasser, ein weiterer wurde zum Kochen verwendet und ein dritter zur Aufbewahrung von Merissa, einer Art Bier, das gern und in großen Mengen getrunken wurde.

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Baggara errichten eine Tokhal aus Felssteinen. Hier ist gut die einfache Dachkonstruktion zu erkennen.

An den Wänden hingen die Waffen der Männer, wozu ein Schild, das zweischneidige Schwert und Lanzen gehörten. Das Geschirr war zum größten Teil aus Holz und Kürbisschalen gefertigt. Hölzerne Gegenstände wurden in der Regel an die Wände bzw. unter die Decke gehängt oder auf Steine oder Kegel aus Lehm, wie das Angareb, gestellt, um sie dort vor der zerstörerischen Kraft der Termiten zu schützen. Die Wände der Hütte waren oft mit bunten Strohmatten behängt und an Binsenschnüren, welche quer unter die Decke gespannt waren, hingen Flaschen und Körbe mit Ölen, Fett und Kräutern.

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So ungefähr muss man sich die „Innenstadt“ von El Obeid im Jahr 1882/83 vorstellen.

Nördlich von El Obeid gelegen fand man die schöne Stadt Bara, die von einer Vielzahl an künstlich bewässerten Gärten umgeben war. Die Stadt lag in einer Senke und verfügte über große Mengen an Grundwasser, dass durch kaum 8 Meter tiefe Brunnen gefördert wurde. Aus diesem Grund gab es einst sogar den Plan, die Hauptstadt von El Obeid nach Bara zu verlegen. Mit rund 25.000 Einwohnern war Bara die zweitgrößte Stadt von Kordofan. In den Gegenden rund um die beiden Städte hatten sich verschiedene Einwandergruppen niedergelassen. Bei Khursi und Tayyara waren es Stämme aus Nigeria, bei Bara die Jawabara aus den Niltälern.

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Der Kamelmarkt in El Obeid

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Auf dem Marktplatz von El Obeidwird das begehrte Gummi Arabicum gehandelt.

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Hirsesorten, wie Durra, gehören zu den Grundnahrungsmitteln im Sudan.

Der Mahdi kommt nach El Obeid

Nach seinen ersten Erfolgen gegen die Regierungstruppen, hatte der Mahdi zunächst den Plan gefasst nach Dar-Fertit ins südliche Darfur zu gehen, um von dort seinen Aufstand zu organisieren. Aber der ehemalige Mudir (Provinz-Gouverneur) von El Obeid, Elias Pascha, der seit einiger Zeit ein erbitterter Feind des derzeitigen Mudirs Mohammed Said Pascha war, sandte dem Mahdi Botschaften, in denen er ihn davon überzeugte, dass die Stadt El Obeid derzeit nicht im Stande war sich ausreichend zu verteidigen. Unterdessen sammelten sich viele Krieger der Hamar, Ghodiat und Bedayria beim See von Birket, um sich dem Aufstand des Mahdi anzuschließen. Daraufhin schickte Mohammed Said Pascha Regierungstruppen, um diese Stämme zu zerstreuen. Unter der Führung der beiden Offiziere Rasim und Osman konnten 1.500 Soldaten die Aufständischen zwar besiegen, erlitten aber selbst dermaßen hohe Verluste, dass sie sich nach El Obeid zurückziehen mussten. Nach und nach fielen nun die festen Plätze Kordofans in die Hände der Rebellen. Im April wurde Abu Haraz erobert, Birka und Azhaf im Mai und Dilling im September.

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Händler und Bauern ziehen von und nach El Obeid.

Am 24. Juni 1882 Juni gab es einen Angriff von 20.000 Ansar auf die Stadt Bara, die nur von rund 800 Soldaten verteidigt wurde. Trotzdem konnte der Angriff abgeschlagen werden, woraufhin die Stadt eingeschlossen und belagert wurde. Um Bara zu helfen, wurden aus Sinket 2.800 Mann, verstärkt durch angeworbene Schukrie, unter dem Befehl von Ali Bey Lufti ausgesandt. Diese Truppe wurde am 25. Oktober 1882 durch die Anhänger des Sheik Mohamed Rahma überfallen und ein großer Teil getötet. Der Rest konnte sich, trotz ständiger kleiner Überfälle und Wassermangel bis nach Bara durchschlagen. Die kleine Stadt konnte der Belagerung noch bis zum 5. Januar 1883 standhalten. Dann jedoch ergab sich der Stadt-Kommandeur Surur Effendi den Anführer der Aufständischen, Amir Abd er Rachman woled Regumi, denn ein großes Feuer hatte Anfang Januar den größten Teil der Getreidevorräte vernichtet. In Gefangenschaft gerieten auch Nur Bey Angerer und Mohamed Aga Schapo, die zuvor schon Ashaf verteidigt hatten. Die gesamte Garnisonstruppe wurde schließlich in die Reihen der Mahdi-Armee gepresst und dem Gewehrschützen-Korps des Abu Anja übergeben.

Verteidigungsmaßnahmen

Der Mudir von El Obeid, Mohammed Said Pascha, hatte zwischenzeitlich die Stadt mit einem Graben und Wall umgeben lassen. Allerdings war dieses Hindernis nicht tief und hoch genug und somit leicht zu überwinden. Man hätte auch rund 20.000 Mann benötigt, um die gesamte Verteidigungsanlage zu besetzten. In der Stadt waren aber nur noch rund 6.000 Soldaten mit 12 Geschützen stationiert. So wurde im Sommer 1882 nur das Regierungsviertel mit einem sogenannten Geger, einen Graben mit Erdwall umgeben. Der Wall hatte eine Höhe von 3 Metern und eine Tiefe von rund 6,5 Metern. Die in El Obeid stationierten Truppen und die der kleinen, umliegenden Garnisonen von Dilling, Tayyara, Birka, Abu Haraz, Khursi, Azhaf und Bara setzten sich aus regulären Ägyptischen Soldaten, Süd-Sudanesen, Nubiern, Bashi Bazouk und anderen irregulären Einheiten, wie den Männer des Schukrie Stammes, die häufig als Söldner angeworben wurden, zusammen. Ein Teil der Truppe war erst kurz zuvor, eine der letzten Verstärkungsmaßnahmen, unter dem Befehl von Mohammed Pascha Chadir aus Khartoum angekommen. Dieser lief allerdings bei erster Gelegenheit mit samt seiner Truppe zum Mahdi über.

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Jeder Stamm im Sudan besitzt diese Trommeln, Noggara genannt.

Sturm auf die Stadt

Ende August 1882 begann der Mahdi seinen Marsch nach Birket, um sich dort mit den Aufständischen zu vereinen. Unterwegs stießen viele Krieger verschiedener Baggara Stämme zu ihm, während der Faki Al Manna Isma’il die Stämme der Gawama’a (Jawama’a) und Gima’a (Jim’a) aus einer anderen Richtung heranführte. Als der Mahdi und sein Heerwurm sich immer weiter der Hauptstadt näherten, verließen in der Nacht vom 5. auf den. 6. September fast alle Einwohner von El Obeid ihre Häuser und liefen zu den Aufständischen über. So blieben nur die Soldaten und einige Regierungstreue zurück, die sich nun hinter den Wällen der Verteidigungsanlage verschanzten.

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Diese Karte von El Obeid zeichnete der Kartograph Charles Perron in 1800er.

Bei Birket angekommen, sandte der Mahdi zunächst drei Unterhändler nach El Obeid, welche über die Übergabe der Stadt verhandeln sollten. Doch Mohammed Said Pascha lehnte ab und ließ die Boten kurzerhand aufhängen. Durch diese Provokation wurde der Sturm auf die Stadt unumgänglich. Der Mahdi brach von Birket auf und lagerte am 7. September bei Kaaba, nur wenige Stunden von El Obeid entfernt. Am Freitagmorgen den 8. September 1882 ließ der Mahdi seine 50.000 Männer und 5.000 Reiter direkt auf die Stadt vorgehen. Die Verteidiger sahen zunächst nur eine riesige Staubwolke auf sich zu kommen und hörten ein Grollen, das wie tosendes Meer klang. Der Angriff erfolgte von Nordwesten durch die Streiter des Mahdi und von Osten durch die Horden des Faki Manna. Die Ansar, von denen einige Strohbündel trugen, um damit den Verteidigungsgraben zu füllen, überwanden schnell den kleinen Wall und drangen in die leere Stadt ein, wobei sie immer dichter gedrängt von Haus zu Haus und über Mauern hinweg bis zur Verteidigungslinie vor der Muderie gelangten. Bei diesem Angriff waren die Ansar nur mit Speeren und Stöcken bewaffnet, da der Mahdi, im Einklang mit den Handlungen des Propheten Mohammed, Schusswaffen verboten hatte. Seiner Meinung nach, sollten sich die Kugeln der Feinde in Wassertropfen verwandeln und seinen Anhängern keinen Schaden zufügen können. Doch als die Ansar ins Schussfeld der Regierungstruppen liefen und diese ihr gezieltes Feuer eröffneten, wurden die Anhänger des Mahdi zu Tausenden niedergemäht. Trotzdem überwanden viele Aufständische die Verteidigungslinie und es kam über mehrere Stunden zu heftigen Nahkämpfen. Der berühmte tscherkessische Offizier Resim Effdi hatte mittlerweile das Trompeten-Signal „Hinaufklettern“ blasen lassen, woraufhin die Soldaten sich auf die Dächer der Häuser zurückgezogen hatten und von dort unablässig auf die dichtgedrängte Masse der Aufständischen feuerten. Fast schien es, als könnten die Anhänger des Mahdi die Oberhand gewinnen. In diesem Moment sammelte der Offizier Ali Bey Sherif eine Gruppe Soldaten um sich und stürmte das Pulvermagazin, in welches bereits die ersten Ansar eingedrungen waren. Nach und nach konnten dort die Anhänger des Mahdi über den Wall zurückgedrängt werden. Vor der Muderie stand Said Pascha den Kriegern des Amirs Uad Giabara gegenüber, der seine Anhänger mit den Worten „Tötet die Türken mit den Hunden und Schweinen!“ anfeuerte. Doch auch hier konnten die Angreifer zurückgeschlagen werden. Schließlich ließ Iskander Bey, einer der Befehlshaber der Regierungstruppen, einige Granaten in die Menge feuern. Durch den Artilleriebeschuss wurden zwar auch 300 eigene Soldaten getötet, aber nun floh der Feind aus der Stadt. Als die Soldaten bemerkten, dass sich das Blatt gewendet hatte, stürmten sie den Ansar hinterher und töten noch viele der Flüchtenden in den Straßen. Am Ende des Tages lagen 10.000 tote Ansar zwischen den Häusern. Auch zwei nahe Verwandte des Mahdi, Said Mohammed und Uab Giobara waren unter den Gefallenen. Am 11. und 14. September gab es zwei erneute Versuche die Stadt im Sturm zu nehmen, aber auch diese Angriffe blieben erfolglos und die Zahl der Toten stieg bei den Aufständischen auf 15.000.

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Ein Blick auf Abu Haraz mit seinen Rundhütten und einigen Rabukas.

Die Armee des Mahdi

Im ersten Moment nach der Neiderlage dachte der Mahdi tatsächlich daran, sich mit seinen Anhänger in die Berge zurückzuziehen, aber schließlich entschloss er sich für die Belagerung von El Obeid. Nach diesem ersten Misserfolg begann der Mahdi außerdem seine Anhängerschaft zu einer Armee zu organisieren. Zunächst wurden die am Berg Gedir zurückgelassenen Gewehre und Kanonen herbeigeschafft. Mit diesen Gewehren wurden unter der Kommando von Hamdan Abu Anja die sogenannten Jihadiyya formiert, eine Truppe aus schwarzafrikanischen Söldnern, die schon unter dem Sklavenhändler Al-Zubayr Rahma Mansur Pascha den Gebrauch mit Schusswaffen erlernt hatten. Diese Truppe wurde im Gegensatz zu den übrigen Ansar auch später regelmäßig besoldet. Das restliche Heer wurde in Standarten, den Rayas gegliedert. Kommandeur einer Standarte war entweder ein Stammesführer, ein angesehener Kaufmann oder ein Mann mit einer großen Anhängerschaft, wie z.B. der schon erwähnte Faki Al Manna Isma’il, der in nur ein paar Monaten 10.000 Mann aufgestellt hatte. Auch die Kaufleute aus El Obeid die zum Mahdi übergelaufen waren, besaßen jeder eine kleine Privatarmee von einigen Hundert Männern. Die Ansar formierten sich im Kampf in Reihen hinter ihren Anführern, ähnlich wie die Betenden und ihr Iman. Dies sollte die religiöse Natur des Kampfes unterstreichen.

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Der Mahdi ernannte nach dem Vorbild des Propheten vier Kalifen. Erster Kalif wurde sein treuer Anhänger Abdallahi ibn Muhammad vom Stamm der Ta’aisha, welcher nun viele Stämme der Baggara unter seinem Kommando vereinte. Zweiter Kalif wurde Ali wad Hilo vom Stamm der Dekem und Kenana. Der dritte Kalif wurde Mohammed al-Scharif (der Edle) aus Dongola, Schweigersohn des Mahdi und somit eng mit ihm verwandt. Er repräsentierte die Bewohner von Dongola, Berber und den Menschen der Gezira, welche Giallaba oder auch Aula del Bahr (Leute des Flusses) genannt wurden. Zum vierten Kalifen sollte Uad Senussi ernannt werden, doch dieser lehnte ab, wodurch die vierte Kalifenstelle frei blieb. Die Kalifen waren gleichzeitig auch die Heerführer. Jeder der drei hatte seine eigne Giahadia, Lanzenträger und seine eigene Reiterei, die sich aus dem Stamm des betreffenden Kalifen bildete. Die Kalifen besaßen außerdem das Recht auf eine eigene Fahne. Der Kalif Adullahi führte die zais-zerga, d.h. die schwarze, Kalif Ali wad Hilo die zaia el-hamra, d.h. die rote und Kalif al-Scharif die zaia-chadra, d.h. die grüne. Zudem hatte jeder der drei Kalifen eigene große Kriegstrommeln aus Kupfer, weshalb sie auch Nahas (Kupfer) genannt wurden, während die gewöhnlichen Trommeln (Noggara) aus einem ausgehölten, mit Fell überspannten Baumstamm bestanden. Der Kalif Adullahi verwahrte zusätzlich das Ombeija, ein gewaltiges Blasinstrument aus einem kunstvoll ausgehöhltem Elefanten-Stoßzahn, das einen lauten, weitreichenden Ton erzeugen konnte. Den Kalifen waren eine unterschiedliche Anzahl von Amiren unterstellt, deren jeder seine eigne Fahne führte. Diese Fahnen waren äußerst einfach und ohne künstlerisches Beiwerk gearbeitet. Sie bestanden aus verschiedenfarbigen Tüchern, trugen als Inschrift die mohammedanische Glaubensformel und den Zusatz „Mohammed Ahemd el Mahdi Califat-er-rasul“, d.h. Nachfolder des Propheten. Jeder Amir hatte wiederrum mehrere Mogaddem (Vorsteher) unter sich und jeder Mogaddem einen Stellvertreter. In der ersten Zeit des Aufstandes war der Gebrauch von Schusswaffen verboten. Man verwendete nur Wurfhölzer und Speere. Nach der ersten schweren Niederlage bei der Belagerung von El Obeid, wurde dieses Verbot jedoch aufgehoben.

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Die Belagerung von El Obeid

Der Mahdi ließ nun sein Zelt auf der Anhöhe Gianfara, zwei Kilometer vor der Stadt aufstellen, ein Lager für sein Heer einrichten und einen Belagerungsring um El Obeid legen. Damit wurde auch die Kommunikation von und nach El Obeid sowie mit Bara unterbrochen. Es gab allerdings noch einen Austausch zwischen den Verteidigern und den Angreifern. Die Händler im Lager des Mahdi verkauften heimlich Getreide zu Spitzenpreisen an die Eingeschlossenen und auch einige Boten verkehrten zwischen den verfeindeten Parteien. Als der Mahdi von diesem verbotenen Handel Wind bekam, ließ er den Schuldigen die rechte Hand abhacken, hängte diese den Männern um den Hals und ließ sie so zur Abschreckung durch das Lager führen. Fast täglich wurden El Obeid nun durch die Gewehrschützen Abu Anjas und durch Kanonen beschossen. Natürlich wurden in der Stadt schnell die Nahrungsmittel knapp. Erst stiegen die Preise, so musste man für ein Huhn 30 Taler und für eine Fingerhut voll Salz 1 Taler zahlen, dann begannen die Einwohner alles zu essen, was als Nahrungsmittel halbwegs in Frage kam. Man verspeiste Hunde und Esel, kochte Felle und Leder. Käfer und weiße Termiten galten als Leckerbissen. Einige aßen sogar das gesammelte Gummi Arabicum und starben qualvoll an der ungenießbaren Masse. Krankheiten brachen aus, da die Toten unbestattet in den Straßen verwesten. Die Luft soll schwarz von Aasvögeln gewesen sein, die sich an den Leichenbergen gütlich taten. Die Vögel wurden bald so fett vom fressen, dass sie nicht mehr fliegen konnten und zu hunderten von den Soldaten getötet und gierig verschlungen wurden. Natürlich gab es auch Überfälle der Verteidiger, die aber eher zur Unterhaltung der Belagerer beitrugen, als das dadurch Lebensmittel erbeutet werden konnten. Nachdem Skorbut unter den Eingeschlossenen viele weitere Todesopfer gefordert hatte und die Männer durch Hunger und Durst völlig entkräftet waren, streckte die Stadt am 17. Januar 1883 schließlich die Waffen und El Obeid wurde dem Mahdi übergeben. Dieser ließ die gefangen Soldaten nicht töten, sondern reihte diese an Schusswaffen ausgebildeten Männer in seine eigene Armee ein. Einer der ägyptischen Offiziere, Yusuf Mansur, galt beispielsweise noch bis zur Schlacht von Omdurman als Experte für die Artillerie der Ansar. Die Kommandeure, allen voran Said Pascha, wurden allerdings später hingerichtet.

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In der Gegend um El Obeid sieht man von Norden kommend die ersten mächtigen Affenbrotbäume auf dem Weg nach Süden.

Der General-Gouverneur in Khartoum, Abd Qadir Pascha Hilmi, wurde für den Verlust von El Obeid zur Verantwortung gezogen und aus dem Sudan ab beordert. Stattdessen wurden nun drei Männer in die sudanesische Hauptstadt gesandt. Neuer General-Gouverneur für zivile Fragen wurde Ala al Din Pascha Siddiq, für alle militärischen Belange wurde Sulayman Pascha Niyazi eingesetzt und Kommandeur der Armee wurde der Engländer William Hicks, besser bekannt als Hicks Pascha.

9 Kommentare zu „Kampf um EL Obeid“

  1. So muss das sein. Was ne megaaa Sonntagmorgenlektüre.
    Viel gelernt. Jetzt weiß ich auch, warum meine 1/72 Jungs so viele Fahnenträger bekommen haben. Fand die bunten Fahnen halt schick. Dass sie den Kalifen zuzuordnen sind, wusste ich nicht. Bis eben nicht.

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  2. Hello, Hicks Pasha was my mother’s great grandfather. I have a few photos of him it would be nice to discover more of this story. Thanks for this work.

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  3. Hello Tom Hamilton,

    Thank you for your comment. That makes me very happy that a descendant of Hicks Pasha is interested in my report 🙂 I’m currently researching the Hicks Pasha Expedition and, of course, the biography of William Hicks. If you could give me pictures or anecdotes for it, I would be very grateful.

    Best regards
    Frank

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  4. Sehr geehrter Frank,
    zur Zeit arbeite an den Reisetagebüchern eines Graf Schlieffen in den Sudan 1853, der auch el Obeid besuchte, deshalb las ich Ihren Beitrag mit großem Interesse. Können Sie mir die Quelle der Strichzeichnung der Ansicht von el Obeids (Händler und Bauern ziehen nach Obeid) nennen? Das würde mir helfen.
    Mit bestem Dank Renate Germer

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