Napoleonische Regelwerke – General D’Armee

Wie bereits angekündigt, möchte ich einige TableTop-Regelwerke zum Thema „taktische Systeme der Napoleonische Kriege“ auf Herz und Nieren prüfen und eine Bewertung für jedes System abgeben. Den Anfang macht das relativ neue Regelwerk General D’Armee.

Das Regelwerk General D’Armee stammt aus dem Jahr 2017, wurde von „Too Fat Lardies“ bzw. Reisswitz Press publiziert und von Dave Brown entwickelt. Dave Brown hatte schon den Vorgänger „General d‘Brigade“, aber auch andere Regelwerke wie „O“Group und Picket’s Charge geschrieben und sich damit einen gewissen Namen in der TableTop-Szene gemacht. Konzipiert wurde das Regelwerk für 15 mm Figuren, alle Werte werden im Regelwerk aber auch für 28 mm Figuren angegeben. Die Figurengrößen sind jedoch unwichtig, da die Werte sich eigentlich nach den Basengrößen richten, die meist, je nach Maßstab, unterschiedlich ausfallen. Ich habe das Regelwerk für rund 28,- Euro erstanden.

Noch einmal zur Erinnerung. Ich bewerte jedes Regelwerk nach fünf Kategorien. Für jedes Kriterium wird eine Note von 1 (schlechtester Wert) bis 10 (bester Wert) vergeben. Das sieht wie folgt aus:

  • Präsentation (20 %)
  • Spielbarkeit (25 %)
  • Mechaniken (25 %)
  • Historisches Flair (20 %)
  • Unterstützung (10 %)

Weitere Infos zu dieser Bewertung könnt ihr hier noch einmal nachlesen: https://tabletopdeutschland.com/2022/05/02/napoleonische-regelwerke/

Präsentation

Kommen wir also zunächst zur Präsentation des Regelbuches. Erster positiver Aspekt sind zwei separate, laminierte Quick-Reference-Sheets im A4 Format, die zusammen mit dem 108-seitigen, durchgängig vierfarbigen Softcover-Regelbuch geliefert werden. Die Cover-Gestaltung und das relativ große Format (210 b x 296 h mm) der Publikation gefallen mir ebenfalls. Allerdings sind dies dann auch schon alle Pluspunkte zum Thema Präsentation.

Diese Quick Reference Sheets werden mit dem Regelbuch geliefert

Das Layout ist ein echter Schwachpunkt des Regelwerkes. Der Text ist einspaltig gehalten, wobei der Textblock viel zu weit in den Bund gerückt wurde, so dass einerseits jede Seite aus fast einem Drittel ungenutzter weißer Fläche besteht und andererseits der Text teilweise im Bund verschwindet. Die Tabellen und ihre Texte sind zudem viel zu klein und somit schlecht zu lesen. Es gibt nur eine sehr spärliche Anzahl von erläuternden Diagrammen und diese sind äußerst minimalistisch in der Gestaltung. Neben dem Layout finde ich auch die Organisation und Gliederung der Abschnitte sehr unübersichtlich. Es gibt zudem keinen Index. All dies führt dazu, dass man Regeln, die man im Spiel nachschlagen möchte, nur schwer wiederfindet und man die Texte mehrfach lesen muss, um alle Aspekte eines Abschnitts zu erfassen. Gestalterische Elemente, wie die gekreuzten Schwerter als eine Art Wasserzeichen im Hintergrund stören eher, als dass sie einen Epochen-Flair verströmen. Die Figurenbilder sind zwar nicht schlecht, aber zum größten Teil auch nur sehr durchschnittlich.

Das Layout des Buches

Neben den Regeln beinhaltet das Buch nur ein einziges Szenario, keine Armeelisten oder sonstigen Hintergrundinformationen. Insgesamt finde ich die Präsentation für heutige Verhältnisse enttäuschend. 

Bewertung: 4

Spielbarkeit

Bisher habe ich nur zwei Testspiele absolvieren können, meine Erfahrungen sind also sehr begrenzt. Die Spiele waren aber beide sehr spannend und dynamisch, was vor allem daran lag, dass es sich bei diesem Regelwerk nicht um ein klassisches IGOUGO System handelt, vielmehr sind innerhalb einer Phase einer Spiel-Runde beide Spieler aktiv. Die Reihenfolge richtet sich dabei nach der gewonnenen Initiative.

Beispiel für eine Tabelle aus dem Regelwerk

Eigentlich soll bei General D’Armee eine Einheit Infanterie 1 Bataillon, eine Einheit Kavallerie 1 bis 2 Schwadronen und eine Einheit Artillerie 1 Batterie darstellen. Eine komplette „Armee“ hat dann aber nur den Umfang einer Division mit 5 bis 8 Brigaden. Zum einen entspricht dies so gar nicht dem Titel des Regelwerkes (General D’Armee) zum anderen kenne ich gar keine Divisionen, die aus 8 Brigaden bestehen. Alles ein wenig merkwürdig. Diese unlogische Aufteilung habe ich gleich zu Anfang über Bord geworfen. Bei mir entspricht eine normale Einheit einem Regiment (= 2 Bataillone Infanterie / 4 Schwadronen Kavallerie oder 2 Batterien), statt Brigaden verwende ich Divisionen und so kann man mit dieser Größenordnung bequem ein ganzen Korps aufstellen. Einheiten kann man bei General D’Armee in drei Größen (klein, Standard und groß) aufstellen, so lassen sich die teilweise sehr unterschiedlichen Mannstärken der Regimenter gut darstellen.

Beispiel-Foto aus dem Regelwerk

Das Kommandosystem, die erste Phase einer jeden Runde, ist wirklich sehr gelungen und wird von mir noch einmal bei der Kategorie „Mechaniken“ gewürdigt. Es ist allerdings nur dann ausgewogen, wenn man mit mindestens 5 bis 6 Brigaden (in meinem Fall Divisionen) spielt, da sonst zu wenig ADC‘s zum Einsatz kommen, wodurch viele Spieloptionen einfach nicht durchführbar sind. Bei meinen Testspielen wurde dies ausgeglichen, indem auch dem „normalen“ Oberbefehlshaber immer ein potenziellen ADC zugeordnet wurde. Es gab also einen zusätzlichen ADC für jede Seite.

Der Groundscale des Spiels sieht bei Verwendung von 15mm Figuren wie folgt aus: 1 mm auf dem Spielfeld = 1 Meter auf dem Schlachtfeld. Das ist eigentlich auch mein Ansatz bei der Basierung meiner 1/72 Figuren. Leider stimmt dieser Maßstab nicht mit den im Regelwerk genannten Schussreichweiten überein. Die Reichweiten für Musketen sind zu weit (Salvenfeuer = 150 Meter / Plänklerfeuer = 200 Meter, jeweils die Hälfte wäre realistisch), während die Reichweite der Artillerie dagegen zu kurz ausfällt. Ein französischer 6-pf hat z.B. im Spiel eine max. Reichweite von 850 Metern, auf dem Schlachtfeld waren es aber locker 1.300 Meter. Im Übrigen ist die Reichweite der Artillerie bei fast jedem Regelwerk zu kurz, was dazu führt, dass diese Waffengattung meist nur wenig Wirkung entfalten kann. Bei Waterloo erlitten die Truppen beispielweise rund 2/3 aller Verluste durch Artilleriefeuer. Ein Umstand, der kaum in einem Regelwerk richtig abgebildet wird.

Störend und aus heutiger Sicht nicht mehr angemessen, ist das seltsame „bookkeeping“ des Regelwerkes. Für jede Einheit müssen theoretisch Verluste notiert werden, die sich dann auch noch in Stufen unterteilen und trotzdem gibt es noch zahlreiche zusätzliche Marker, die auf dem Spielfeld eingesetzt werden müssen. Das haben andere Regelwerke deutlich besser gelöst.

Marker für das Spiel kann man separat erwerben

Obwohl einige Regel-Mechaniken nicht sehr eingängig sind und einige Begriffe in ihrer Vielzahl und Ausprägung verwirren, kann man dank des guten QRS sicher durch die einzelnen Phasen einer Spielrunde gleiten. Allerdings hemmt es den Spielablauf deutlich, wodurch sich natürlich die Spielzeit erhöht. Trotz der gennannten Schwächen, diese lassen sie aber durch einfache Änderungen leicht aus der Welt schaffen, halte ich General D’Armee in Sachen Spielbarkeit für überdurchschnittlich gut, auch wenn es insgesamt kein sehr schnelles Spiel ist.

Bewertung: 7

Mechaniken

Der Ablauf einer Spielrunde folgt im Prinzip den klassischen Phasen vieler andere Regelsysteme. Es gibt also die übliche Kommandophase, Angriffe, Bewegungen, Feuerkampf und Nahkampf. Die häufig am Ende einer Runde stattfindende Moral-Phase, wurde aber in die Kommandophase verlegt.

Beispiel für ein Diagramm aus dem Regelbuch

In der ersten Phase des Spiels (Kommando) geht es um die Erteilung von Befehlen an die einzelnen Truppenverbände. Eine Anzahl von Adjutanten wird ermittelt, welche dann eingesetzt werden können, um besondere Befehle zu generieren, womit Schwerpunkte (z.B. Artilleriefeuer, Angriff einer Infanterie-Division oder Plänklerkampf) in einer Spielrunde gesetzt werden können. Diese Aktionen sind eines der interessanten Aspekte von General D’Armee. Hinzu kommt noch ein Test, ob die einzelnen Divisionen befehlsbereit sind oder nur zögerlich agieren. Das ADC-System ist ein hervorragendes Beispiel für gut durchdachte Befehls- und Kontrollmechanismen, die auch wirklich funktionieren und simulieren, wie ein Kommandant seine vorhandenen Kräfte einsetzen würde. Die Idee mit den ADC’s und den zusätzlichen Aktionen findet man allerdings auch in ähnlicher Form bei Field of Glory Napoleonic und der Test für die Divisionen erinnert an das Kommandosystem bei Black Powder. Die Kombination dieser Mechaniken ist jedoch neu und gibt der Kommando-Phase deutlich mehr Gewicht. Neben der Reglementierung des Spielers durch das Kommandosystem, muss zu Beginn des Spiels jeder Division ein Platz in der Schlachtlinie zugewiesen werden, welcher nur durch einen neuen Befehl geändert werden kann. Eine gute Regel, die verhindert, dass Divisionen wahllos von einer Spielfeldseite zur anderen marschieren können. All dies simuliert gut die Kommandostruktur einer Napoleonischen Armee sowie die Schwierigkeiten vor denen ein Befehlshabers häufig stand.

Dieses Szenario-Heft kann man als PDF kaufen

Neben dem guten Kommandosystem ist besonders die Verwendung eines großen Plänklerschirms erwähnenswert. In der Regel generiert jede Einheit zu Beginn des Spieles eine Plänklerbase, welche dann für jede Brigade / Division zu einer großen Einheit (Plänklerschirm) zusammengefasst werden. Im Spiel besteht außerdem die Möglichkeit, den Plänklerschirm zu verstärken und leichte Regimenter können sogar in separate Plankerschirme aufgelöst werden. Auch die Regeln zur Bewegung und zum Plänklerfeuer sind schlicht und elegant. Insgesamt ist die Verwendung der Plänkler für mich, neben dem Kommandosystem, der stärkste Aspekt von General D’Armee.

Die Regeln zum Thema Angriffe lesen sich etwas holprig, aber im Prinzip handelt es sich um eine klassische Vorgehensweise, wie sie auch in anderen Regelwerken zu finden ist. Einzig die Gleichstellung von Kolonne und Karree als Verteidigungsformation ist mehr als diskussionswürdig. Wir haben die Modifikation deshalb für uns leicht geändert, wodurch die Kolonne gegen Kavallerie nur noch ein +1 erhält und das Karree weiterhin ein +2.

Die Bewegung ähnelt den meisten Regelwerken, einzig die Verwendung von „Fog-of-War“ Markern für nicht sichtbare Einheiten ist nicht unbedingt üblich. Ich selbst habe diese Möglichkeit in meinen Spielen noch nicht ausprobiert, aber das Ganze hört sich sehr durchdacht und interessant an. Bei einigen der „Fog-of-War“ Markern handelt es sich um Attrappen, wodurch der Gegner nie sicher sein kann, wo genau der Feind steht.

Den Fernkampf finde ich gut gelöst, allerdings müssen häufig sehr unterschiedliche Modifikationen eingearbeitet werden. Manchmal wird der Basiswurf (2W6) modifiziert, mal kommt ein sogenannter CD (Casualty Die) hinzu, ein anderes Mal muss eine andere Ergebnis-Tabelle herangezogen werden. Funktioniert zwar alles hervorragend, aber während der ersten Spiele muss man ständig ins QRS schauen.

Die eigentliche Nahkampf-Regeln sind simpel und eingängig, nur die Nahkampfergebnisse sind etwas verwirrend. Da gibt es zum Beispiel drei Ergebnisse mit ähnlichen Namen und Bedeutung – „Retire, Retreat, Rout“, die jeweils mit umfangreichen Regeln bestückt sind.

Dieses Szenario-Heft kann man als PDF kaufen

Insgesamt Funktionen alle Regel-Mechanismen tadellos und es gibt einige sehr gute und neue Ideen. Der Regelschreiber hat es außerdem geschafft ein Maximum aus einem 6-seitigen Würfel herauszuholen. Positiv ist auch, dass, mit Ausnahme des Nahkampfes, kaum Würfelorgien gefeiert werden. Meist kommt man mit 2 Würfel aus, zu denen sich manchmal, statt einer Modifikation, zusätzliche „Verlustwürfel“ gesellen können.

Bewertung: 8

Historisches Flair

Meiner Meinung nach werden alle wichtigen Aspekte der Napoleonischen Kriege gut abgebildet. Dazu zählen in erster Linie das Plänkler-Gefecht, die Arbeit der Kommandanten und der ADC‘s, Formation und Bewegung, der Feuerkampf und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Truppengattungen. Bei manchen Besprechungen dieses Regelwerkes habe ich gelesen, dass die starke Einschränkung des Infanterie-Angriffes bemängelt wird. Diese Einschränkung erachte ich jedoch als sehr sinnvoll, da ein Bajonettangriff in einer Schlacht ein höchst seltenes Ereignis war. Auch die nur sehr geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen sind für mich sinnvoller als die üblichen Stereotypen anderer Regelwerke. Eine nette Idee ist auch die Regel für „massed columns“, die verhindert, dass Einheiten dicht an dicht auf dem Spielfeld stehen. Lediglich der Oberbefehlshaber ist im Spiel etwas farblos und hat kaum eine Bedeutung. Insgesamt ist der Historisches Flair von General D’Armee die für mich stärkste Kategorie bei der Bewertung.

Bewertung: 9

Beispiel-Foto aus dem Regelwerk (die Einzelfiguren , die nichts mit dem Spiel zu tun haben, sind deutlich besser bemalt und fotografiert)

Unterstützung

Neben dem Regelwerk wird derzeit nur ein PDF mit Szenarien für die Kampagne von 1815 und für Spanien zum Kauf angeboten. Zudem gibt es ein Forum auf der Homepage von Toofatlardies ( https://toofatlardies.co.uk/forum/viewforum.php?f=41 ) und einige sehr schönen YouTube-Videos mit Regelerläuterungen von Dave Brown.

Forum bei Too Fat Lardies

Die Regeltabellen des QRS kann man nach Kategorien geordnet hier online nachschlagen: https://loughtonstrikeforce.co.uk/gda/ . Natürlich findet man hier und da schöne Szenarien und Spiel-Besprechungen im Internet, insgesamt aber doch recht wenig und meist auch nicht sehr „sexy“ aufbereitet. In Sachen Unterstützung ist also deutlich Luft nach oben.

Bewertung: 5

Fazit

Würde man die Optik, Ausstattung und Layout des Regelbuches von General D’Armee noch einmal grundlegend überarbeiten, ein paar zusätzliche, gute Szenarien- und Armeebücher publizieren, eine eigene Homepage aufsetzten sowie einige winzige Regelanpassungen durchführen, dann wäre General D’Armee ein richtig gutes Regelwerk für TableTop-Spiele in den Napoleonischen Kriege.

GESAMTNOTE: 6,85

Welche Erfahrungen habt ihr mit General D’Armee? Ich würde mich über eure Kommentare und Bewertungen freuen.

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