Für dieses Jahr habe ich mir unter anderem vorgenommen, das Mysterium Napoleonische-TableTop-Regelwerke zu ergründen. OK, ihr fragt euch sicher, was soll das genau bedeuten? Irgendwie gibt es nämlich für diese Epoche nicht das eine geniale und weit verbreitete Regelwerk, dass alle Spieler Gleichmaßen begeistert. Selbst Mode-Erscheinungen oder Regel-Hypes, wie in anderen Epochen üblich, gibt es für die Zeit der Napoleonischen Kriege nicht wirklich. Übrigens, ich spreche hier nicht von Skirmish- oder Gruppen-Skirmish – Regelwerke und auch nicht über großtaktische Systeme der Napoleonischen Zeit. Der Fokus meiner Suche liegt viel mehr auf sogenannten taktischen Systemen für Schlachten mit einem Korps (oder mehr) auf jeder Seite. Bei dieser Spielgröße stellt 1 Einheit üblicherweise 1 Regiment, bei Infanterie manchmal auch nur 1 Bataillon dar. Das sind also eher kleine Schlachten oder auch nur Ausschnitte einer großen Schlacht. Da ich nicht nur TableTop-Spieler, sondern vor allem Figurenmaler bin, sollte die einzelne Figur im Spiel gut sichtbar und Einheiten klar erkennbar sein. Die Vielfalt der Uniformen in den Napoleonischen Kriegen ist halt eines der faszinierendsten Aspekte für Figurenmaler. Ein weiterer Aspekt ist die Darstellung der unterschiedlichen Formationen, welche ebenfalls in den Napoleonischen Kriegen eine zentrale Rolle spielten. Das ist auch der Grund, warum ich TableTop-Spiele lieber mit 20 als 28 mm Figuren bestreite und 6 und 15 mm sehr ungern verwende. Für mich ist die Figurengröße 1/72 (im TableTop oft als 20 mm bezeichnet) der beste Kompromiss zwischen Optik und Spielbarkeit.

Regelwerke
Zunächst stellt sich also die Frage, welche Regelwerke überhaut angeboten werden. Zuletzt habe ich vor allem Spiele mit dem Regelwerk Field of Glory Napoleonic bestritten. Mir gefällt das Regelwerk sehr und gerade mit der zweiten Edition halte ich es für nahezu perfekt. Einziger Nachteil ist für mich die lange Spieldauer und die optisch nicht gut bzw. gar nicht optisch dargestellten Plänkler, die vor allem in der späten Phase der Napoleonischen Kriege eine große Rolle spielten. Neben diesem Regelwerk habe ich eigentlich nur noch Erfahrungen mit Shako und Black Powder. Shako habe ich allerdings sehr lange nicht gespielt und Black Powder erschien mir häufig als zu unausgewogen und simpel. Gutes habe ich auch von Lasalle gehört, ein Regelwerk, das mit seinem Spielablauf ganz neue Wege gehen soll. Seit einiger Zeit wird auch General D’Armee (der „große Bruder“ von General d’Brigade) auf vielen Plattformen angepriesen und erhält immer sehr gute Bewertungen. Als letzten Kandidaten will ich noch Napoleon auf meine Liste nehmen, dies allerdings nur, weil ich das Regelwerk schon länger im Regal stehen habe.
- Field of Glory Napoleonic 2nd Edition / von Terry Shaw & Mike Horah (Slitherine Strategies)
- General D’Armee / von David Brown (Reisswitz Press)
- Shako II / von Arty Conliffe (Quantum Printing)
- Black Powder 2nd Edition / von Rick Priestley & Jervis Johnson (Warlord Games)
- Lasalle 2nd Edition / von Sam Mustafa (Honour)
- Napoleon / von Matthew Fletcher (Wargames Foundry)

Bewertung
Der Plan ist also, diese sechs Regelwerke zu lesen, zu testen und schließlich ein Gesamt-Urteil abzugeben. Die Bewertung habe ich jetzt mal frech von Little Wars TV geklaut. Die Jungs verwenden für ihre Beurteilung fünf Kriterien, die allerdings in Summe unterschiedlich gewichtet werden. Die Gewichtung habe ich ein wenig nach meinen Vorlieben geändert und so rückt die Präsentation ein wenig mehr in den Vordergrund. Warum das so ist, erläutere ich im nächste Abschnitt. Für jedes Kriterium wird eine Note von 1 (schlechtester Wert) bis 10 (bester Wert) vergeben. Das sieht wie folgt aus:
- Präsentation (20 %)
- Spielbarkeit (25 %)
- Mechaniken (25 %)
- Historisches Flair (20 %)
- Unterstützung (10 %)
Zunächst möchte ich kurz erläutern, was ich unter diesen 5 Kategorien verstehe.

Präsentation
Seien wir ehrlich, oft wird ein Regelwerk nur gekauft, weil es mit großartigen Figuren- und Geländefotos aufwartet. Auch für mich sind gute Fotos oder Illustrationen sowie ein ansprechendes Layout auf jeden Fall ein Kaufargument. Bekommt man mit dem Regelwerk dann noch gute geschichtliche Hintergrundinformationen sowie interessante Szenarien, dann kann das Regelwerk auch mal zur Nebensache werden und trotzdem als Ergänzung zu anderen Regelwerken von Wert sein. Gerade ältere Regelwerk waren meist ein Rundum-sorglos-Paket mit alle diesen Dingen, hinzu kamen sogar häufig noch Infos zur Bemalung der Figuren und Gestaltung des Geländes, was ich aber nicht für nötig erachte. Zu einer guten Präsentation und Ausstattung können auch Extras, wie separate Karten oder ein QRS sowie Spielhilfen und Würfel gehören. Extrem wichtig sind mir Text-Layout und Übersichtlichkeit. Häufig muss man während eines Spiels Regeln nachlesen und es gibt nicht nervigeres, als minutenlang hin und her zu blättern, bevor man den passenden Eintrag gefunden hat. Ein letzter Aspekt dieser Kategorien ist außerdem der Schreibstil des Autors. Dieser kann von sachlich und verständlich, über humoristisch, blumig bis hin zu historisch geprägt reichen.

Spielbarkeit
Die Spielbarkeit ist selbstverständlich der Kern eines jeden guten Regelwerkes. Ein Spiel sollte flüssig und intuitiv ablaufen und alle Mitspieler gut einbinden. Natürlich soll ein Spiel spannend, eine gewählte Taktik bzw. ein gefasster Plan umsetzbar sein. Eine grundsätzliche Frage bei TableTop-Regelwerken ist nämlich, wie stark der Spieler vom Regelwerk reglementiert wird. Viele Spieler finden zu viele Einschränkungen als störend, andere zu wenige als unrealistisch. Die Beschränkungen sollen dabei den so schwer darstellbaren „Fog of War“ simulieren und der Vogelperspektiv des Spielers entgegenwirken. Gleichzeit muss aber das Regelwerk verhindern, dass ein Spieler gänzlich handlungsunfähig wird. Ein weiterer Aspekt der Spielbarkeit ist das „Bookkeeping“. Müssen also aufwendige Tabellen, Notizen oder Strichlisten geführt werden oder ist das nicht nötig, sondern durch ein paar Spielfeld-Marker abzuhandeln. Tabellen und Modifikatoren sollten idealerweise nur als ein oder zwei-seitiges QRS verwendet werden müssen. Regeln sollten grundsätzlich eingängig sein und die Mechaniken für unterschiedliche Spielabläufe sollten idealerweise immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Zur Spielbarkeit zählt, zumindest für mich, auch ein logischer „Groundscale“. Bewegungsreichweiten, Schussentfernungen, die Größe der Einheiten und Entfernungen auf dem Spielfeld sollte zumindest annähernd übereinstimmen. Ein letzter Punkt ist die Ausgewogenheit des Spiels, welche nicht nur durch exakt gleiche Armeen, sondern vor allem durch gute Szenarien erreicht werden kann. Für mich nicht wichtig, aber für einige ausschlaggebend, ist die Turnier-Tauglichkeit des Regelsystems. Das enthält neben der schon erwähnten Ausgewogenheit der Armeelisten, auch ein System zum Aufbau des Spielfeldes, der Aufstellung der Armee sowie exakte Siegbedingungen.

Mechaniken
Bei den Spiel-Mechaniken zeigt sich der Einfallsreichtum und die Erfahrung eines Regel-Designers. Mit guten und innovativen Regel-Mechaniken sollte sich das System außerdem deutlich von anderen Regelwerken unterscheiden. Das muss nicht zwingend in allen Bereichen stattfinden, das Rad muss also nicht immer komplett neu erfunden werden. Oft reicht schon der eine oder andere Kniff, der das Ganze eleganter, interessanten oder einfach nur eingängiger macht. Zu diesen Mechaniken kann auch die Zusammenstellung der Armee, die Spielreihenfolge oder die Wahl der Initiative zählen. Wie werden Entfernungen gemessen und welche Würfel und wie viele werden im Spiel benutzt? Und das sind nur einige Punkte auf einer ellenlangen Liste von Möglichkeiten. Die Spiel-Mechaniken sind also das eigentliche Alleinstellungsmerkmal eines guten Regelwerkes und oft der Hauptgrund, warum ein System einem anderen vorgezogen wird.

Historisches Flair
Dieser Punkt beleuchtet, ob das Regelwerk alle typischen Aspekte der Napoleonischen Kriege berücksichtig. Dabei muss man beachten, dass sich die Art der Kriegsführung auf dem Schlachtfeld im Laufe der Napoleonischen Kriege stark verändert hat. Vor allem der Einsatz von Plänklern, aber auch die die Rolle der Artillerie sowie kleinere Aspekte, wie die Kavallerie-Lanze, gewannen erst in der letzten Phase der Napoleonischen Kriege an Bedeutung. Enorm ist auch die Bandbreite an unterschiedlichen Einheiten-Typen und Uniformen, die sich vor allem in der Französischen Armee entwickelten. Allein bei der französischen Kavallerie gab es zu bestimmten Zeiten mehr als 15 verschiedene Kavallerie-Typen. Da ich vor allem die Schlachten ab 1812 nachspiele und für diesen Abschnitt Figuren bemale, sind mir in erster Linie folgenden Punkte wichtig: Das Plänkler-Gefecht, die Verwendung unterschiedlicher Formationen, das Zusammenspiel der drei Waffengattungen, die Armeestruktur und ihre Rolle auf dem Schlachtfeld und die Darstellung unterschiedlichster Einheiten. Viele Würzen die Grundregeln außerdem mit nationalen Unterschieden, was oft etwas stereotyp ist, zugleich aber auch Anreiz, bestimmte Nationen zu wählen und sich diesen Vor- und Nachteilen zu stellen.
Unterstützung
Mit dem Stichwort Unterstützung ist zum einen der Support des Herstellers, aber auch die Beteiligung aus der Community gemeint. Dazu zähle ich in erster Linie eine Homepage mit weiteren Informationen zum Regelwerk sowie Download – Optionen mit Spielmaterial, FAQ, QRS sowie Szenarien. Wichtig ist auch ein Forum, wo Regelfragen besprochen werden können. Zum Einstieg in ein Regelwerk finde ich vor allem Tutorial-Videos sehr hilfreich. Neben Online-Support liebe ich vor allem gut gemachte Ergänzungsbände und Quellenbücher, die bestimmte Kampagnen oder Armeen näher beleuchten sowie weitere Szenarien und Regeln enthalten. Neben den eigentlichen Regeln liefern einige Hersteller sogar eigene Figurensets und Spielhilfen, wie Marker, Mäßstäbe oder spezielle Würfel.
Vorschläge und Hinweise
Habt ihr schon Erfahrungen mit diesem Thema? Vielleicht fehlt noch ein gutes Regelwerk in meiner Liste? Gibt es noch Punkte, die für die Bewertung wichtig wären und nicht von mur genannt wurden? Ich würde mich sehr über euer Feedback freuen. Danke!
Beginnen werde ich diese Reihe mit dem Regelwerk General D’Armee. Hier schon ein paar Teaser aus meinem ersten Testspiel…






Auf weitere Berichte zu diesem Thema freue ich mich sehr. Damit bist du sowas wie Indiana Jones, der den heiligen Gral sucht. Aber ich bin sehr sehr gespannt. Deine Meinung schätze ich sehr. Ich habe lassalle 2 ausprobiert und war direkt verliebt in die Regeln. Black powder hat was von fast Food. Es macht satt, aber nicht so glücklich. Während Lasalle ein schönes Menü ist.
Schon würde ich es finden wenn du dir auch Blücher anschaust. Sam Mustafas Regeln sind eine Wucht. Daher würde ich mich da über deine Meinung und Einschätzung freuen.
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Boah, da hast Du aber bei mir voll in das Schwarze getroffen. Genau auf so etwas (von kompetenter Seite) habe ich schon lange gehofft. Vielen Dank für die viele Arbeit, die Du da rein investierst.
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Vielen Dank für eure Kommentare 🙂
@Bommel: Die „Blücher“-Regel sind doch eher für „Großtaktische“ – Spiele, oder?
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Ja genau. Ich hoffe und hoffe, dass er zufällig bei seiner Suche dazu was gefunden hat. Ich suche die ganze Zeit schon nach Regeln, mit denen man große schlachten spielen kann, aber eine Basiseinheit ein battalion oder Regiment ist.
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….die Figuren auf den Bilder hast Du bemalt???? Riesiges Lob dafür!!!!! -Aber wer um alles in der Welt soll denn auch nur in Sehweite dieser qualitativen Meßlatte kommen..?????
Viele Grüße
Steffen
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