Napoleonische Kriege in Norddeutschland – Lustike Festtage

Schon 2020 hatte man in Bad Nenndorf eine Veranstaltung unter dem Namen „Lustike Festtage“ geplant, aber erst durch Corona und dann durch den Beginn des Krieges in 2022 verschob sich der Termin Jahr für Jahr. Nun war es endlich so weit, die „Lustiken Festtagen“ konnten am Wochenende vom 29. bis 30. April 2023 stattfinden. Bei dieser Veranstaltung ging es zurück in die Vergangenheit, ins beginnende 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der große Teile Deutschland unter französischem Einschluss standen. Hobbydarsteller waren für diese Veranstaltung angereist, um in originalgetreuer Gewandung auf der Bad Nenndorfer Kur-Promenade die napoleonische Zeit aufleben zu lassen. Interessant war für mich vor allem die Kombination aus militärischen Uniformen und Zivilkleidung. Zunächst war mir nicht klar, warum ausgerechnet Bad Nenndorf als Veranstaltungsort gewählt worden war. Eine kurze Recherche brachte Aufklärung…

Jerome und Westfalen

Im Zuge der französischen Expansionspolitik, die sich nach 1804 auch auf die rechtsrheinischen deutschen Länder ausweitete, errichtete Napoleon per Edikt neue, Frankreich gegenüber loyale Staaten. Deren höchste Repräsentanten waren überwiegend ergebene Vertraute oder Verwandte des Kaisers. So wurde für Jérôme, einem Bruder Napoleons, nach dem Frieden von Tilsit aus dem ehemaligen Herzogtum Braunschweig, Kurfürstentum Hessen und vormals hannoverschen und preußischen Gebietsteilen das Königreich Westphalen geschaffen. Hier herrschte er von 1807 bis 1813 als König Jérôme.

Bad Nenndorf

Im Jahre 1787 gründete Landgraf, später Kurfürst, Wilhelm IX. von Hessen das Heilbad mit dem „Nenndorfer Gesundbrunnen“. Es entstanden die Promenade, der Kurpark, das erste Kurhaus und diverse Gästehäuser. Damit der Kurfürst in Bad Nenndorf standesgemäß residieren konnte, ließ er sich im Jahre 1806 im Herzen des Parks ein Schlösschen erbauen. Genießen konnte Kurfürst Wilhelm seine Residenz leider nur einen einzigen Tag, denn dann musste er vor den anrückenden napoleonischen Truppen nach Preußen flüchten. Stattdessen hielt Napoleons Bruder Jérôme, frisch ernannter König von Westphalen, Einzug ins Bad Nenndorfer Schlösschen. Hier veranstaltete er überschwängliche und seinerzeit schon legendäre Feste. Sein ausgelassenes Wesen und die Tatsache, dass sein gesamter deutscher Wortschatz wohl nur aus dem Satz „Morgen wieder lustik!“ bestand, brachten ihm beim Volk bald schon den Spitznamen „König Lustik“ ein.

Living History

Bei meinem Rundgang durch den Kurpark widmete ich mich zunächst den zivilen Darstellungen. Hier gab es Darsteller in bürgerlicher Kleidung zu bewundern, die vor allem durch englische Mode beeinflusst waren. Ein großes Zelt war komplett im Stil der Jane Austin – Romane eingerichtet und das dort ausstellende Paar versicherte mir, dass sie auch zu Hause so ausgestattet leben würden. Nebenan hatte der Verein „Souvenir Napoleon“ seinen Stand, wo auch ein neues Buch zum Thema Westfalen vorgestellt wurde. Schräg gegenüber hatte das Museum Bad Nenndorf seine Zelte aufgeschlagen und hier konnte man sich in der gebotenen Ausstellung auch einen historischen Überblick verschaffen. Von der Kurpromenade ging es dann hinauf zum Schloss, vorbei an einem Werber-Stand, an dem alkoholische Getränke gereicht wurden. Gegenüber hatte die Kings German Legion ihr großes Lager. Den britischen Feldarzt nebenan kannte ich schon von einer anderen Reenactment-Veranstaltung. An der Zollstation konnte ich einen Blick auf die Kutsche von König Jérôme werfen. Oberhalb des Schlosses gab es gleich mehrere sensationelle Darsteller und ihre Ausstellungen zu bewundern. Ein preußischer Feld-Kartograf erklärte hier seine faszinierende Arbeit und die viele Geräte zur Erstellung von Landkarten. Ein Zelt weiter hatte sich ein preußischer Arzt und Veteran aufgebaut, der zudem mit seiner Zweit-Uniform, einen preußischen Kürassier darstellte. Vor dem Eingang zum Schloss traf ich auf eine Gruppe „Adliger“, die für diese Veranstaltung extra aus Holland angereist waren. Im Zentrum der Wiese hatten sich diverse Handwerker, wie Korbflechter, Schmiede und Büchsenmacher eingerichtet. Eine „Regimentsschule“ sorgte für Bildung und diverse Marketender für geistige Getränke.

Militär-Darstellung

Der größte Teil der Darsteller war jedoch in verschiedenen Zelt-Lagern neben den Handwerkern zu finden. Hier hatte das Militär seine Biwaks aufgeschlagen und hier traf ich auch auf einige alte Bekannte wie Frank Herberger vom 8. französischen Linien-Regiment. Neben den Franzosen hatte die KGL gleich drei Einheiten, Leichte-, Linientruppen und Artillerie aufgeboten. Es gab schottische Soldaten des 42. Regiments, eine große Gruppe preußische Infanterie, Braunschweiger und natürlich auf einige Westfalen. Am späten Nachmittag gab es dann auf der Wiese vor dem Schloss eine große Gefechtsdarstellung. Leider hatte ich nicht genug Zeit, um allen Programmpunkten beizuwohnen. Insgesamt war es trotzdem eine sehr gute Veranstaltung, die ich bestimmt wieder besuchen werde.

2 Kommentare zu „Napoleonische Kriege in Norddeutschland – Lustike Festtage“

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