Napoleonische Kriege in Norddeutschland – Die Stadt und Festung Harburg

Ein Großteil der Kämpfe im Rahmen der Belagerung Hamburgs in den Jahren 1813-14 fand rund um die kleine Stadt Harburg und auf der Elbinsel Wilhelmsburg statt. Aus diesem Grund will ich diese Orte und die dortigen landschaftlichen Gegebenheiten ein wenig erläutern, bevor ich zu den Kampfhandlungen und den beteiligten Truppen selbst etwas berichte.

Geschichte

Die kleine Stadt Harburg liegt am südlichen Ufer der Elbe, gegenüber der Stadt Hamburg. Der Ort wird eingerahmt vom Schwarzen Berg im Westen, dem Krummholzberg im Süden, der Winsener Marsch im Osten sowie der Elbe mit dem Stromspaltungsgebiets im Norden. Harburg entwickelte sich einst auf Grund der Fährverbindung nach Hamburg und dem damit verbundenen Fracht-, Personen- und Postverkehrs. Im Jahr 1297 erhielt Harburg das Stadtrecht und wurde 1527 Residenz einer Nebenlinie des Hauses Braunschweig-Lüneburg. 1642 fiel das Amt Harburg an die Celler Hauptlinie der Welfen zurück. Seit 1705 gehörte die Stadt zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. Als im Jahr 1803 England und Hannover in den Krieg gegen Napoleon eingetreten waren, marschierte die französische Armee gegen das Kurfürstentum, welches sich kampflos ergab. Im Juni 1803 rückten französische Truppen in Harburg ein und blieben dort sowie in den umliegenden Dörfern bis zum Herbst 1805. Im Jahr 1806 rückten preußische Besatzer, die zu diesem Zeitpunkt noch mit Frankreich verbündet waren, in die Region. Doch noch im selben Jahr, unmittelbar nach der Niederlage der Preußen in den Schlachten von Jena und Auerstedt, marschierten erneut Franzosen in Harburg ein. Im Jahr 1807 fiel die Stadt an das Königreich Westfalen, welches von Napoleons jüngstem Bruder Jérôme regiert wurde. Von 1811 bis zum sechsten Koalitionskrieg gehörte Harburg schließlich zum Departement Elbmündungen als Teil des französischen Kaiserreiches. Im Jahr 1814, nach langer Belagerung durch die Alliierten, fiel die Stadt schließlich an das neugegründete Königreich Hannover.

Jerome

Eine schöne Anekdote sei in diesem Zusammenhang erwähnt. Im Jahr 1810 begab sich König Jérôme auf eine Inspektionsreise seiner neuen Ländereien und besuchte auch das Städtchen Harburg. Als die Ankündigung von seinem Besuch die Stadt erreichte, begannen sogleich fieberhafte Vorbereitungen. Wege wurde ausgebessert und eine Bürgergarde ins Leben gerufen. Die Bürgergarde zu Pferd bekam grüne Uniformen und große Dreispitze mit weißen Federbüschen. Aus Altona hatte man sich außerdem dänische Krummsäbel geliehen. Des Weiteren gab es eine Bürgergarde zu Fuß. Diese besaß blaue Uniformen mit roten Aufschlägen, Tschakos mit roten Federn und Musketen. Die Truppe exerzierte unter der Leitung eines alten hannoverschen Kavalleristen einige Tage auf dem Schwarzen Berge. Für die Ausbesserung der Straßen erfolgte folgende Anweisung: „Die Herren Beamten müssen die Wege, die der König benutzen wird, persönlich untersuchen und sie mit der größtmöglichen Sorgfalt ausbessern und ebnen, die in den Weg hängenden Zweige von den Bäumen weghauen und alle sonstigen Hindernisse in der Weise aus dem Weg räumen lassen, dass Se. Majestät keinen Augenblick durch impedimenta aufgehalten werde.“ Am 13. August hörte man schließlich, dass der König aus Stade kommend vormittags eintreffen werde. Die reitende Bürgergarde eilte der Majestät bis Hausbruch entgegen und die Bürgergarde zu Fuß nahm am Buxtehuder Tor Aufstellung. Trotz des morgendlichen Regens fanden sich alle Staatsdiener und Würdenträger um 9 Uhr zum Empfang ein. Natürlich erschient der hohe Besuch erst gegen Mittag, hielt am Tor und wurde dort vom Bürgermeister, dem Maire Hansing begrüßt. Hansing überreichte ihm den Schlüssel der Stadt, welcher, samt einem roten Kissen, extra für dieses Ereignis angefertigt worden war. Doch Jérôme schob diese Gabe mit stiller Verbeugung zurück. Bis heute ist dieses Verhalten nicht geklärt, es wird vermutet, das Jérôme sich bereits als Herr der Stadt sah und diese Unterwerfungsgeste deshalb als unpassend empfand. Nach der Begrüßung ging es über den Sand in Richtung Schloss, wo unterdessen 21 Kanonenschüsse abgefeuert wurden. Im Schloss lud man den königlichen Gast zu einem Gabelfrühstück. Die Treppen und Gänge der Residenz waren derart dicht mit Blumen bestreut, das man aufpassen musste, um nicht auszurutschen. Unterdessen warteten die Amts- und Würdeträger im Vorraum und die Bürgergarde bei Wind und Regen an den Toren der Stadt. Nach nur einer Stunde Aufenthalt kehrte der in westfälischer Uniform (weißer Rock mit blauen Aufschlägen, schwarzer Dreispitz, weiße Handschuhe, dazu lange Stulpenstiefel und Sporen) gekleidete Jérôme zurück zur Kutsche und schon ging es hinaus aus der Stadt in Richtung Lüneburg. Dem eiligen König hallten noch weitere 21 Salutschüsse hinterher. Stolz marschierte die Bürgergarde noch den ganzen Tag durch die Straßen, denn der König hatte gnädig das Tragen der Uniform gestattet. Zum Abschluss der Feier wurde die Stadt abends Illuminiert und so endete der Tag des königlichen Besuches.

Schloss und Festung

Harburg Ansichten 17

Das Schloss Harburg, wie es sich im Merian-Stich von 1654 präsentiert.

Die Burg der Stadt wurde zwischen 1133 bis 1137 erstmals als Horeburg, was soviel wie Burg im Sumpf oder Moor bedeutet, urkundlich erwähnt. Die noch heute erhaltenen Kellergewölbe und Teile der Außenmauern sind wahrscheinlich noch aus dem 14. Jahrhundert. Die schon durch den ersten Harburger Herzog, Otto I. im Jahr1527 zu einem dreiflügeligen Renaissance-Schloss umgebaute Burg, wurde auf Grund der Ereignisse des 30-jahrigen Krieges in den Jahren von 1644 bis 1660 zur Festung nach niederländischem Muster ausgebaut. Das ehemals kreisrunde Burggelände gestaltete man zu einem gleichseitigen Fünfeck mit Bastionen, welches durch zwei Gräben sowie einem Wall mit gedecktem Laufweg zwischen den Gräben gesichert wurde. Die Bastionen hießen von Westen im Uhrzeigersinn beginnend, „Christian Ludewig“, „Georg Wilhelm“, „Johann Friedrich“, „Ernst-August“ und „Heinrich Friedrich“. Der äußere Graben war schiffbar und besaß zwei Schleusen (alte und neue Schleuse), durch welche eine Verbindung mit der Elbe hergestellt werden konnte. Das Schloss im Zentrum der Anlage bestand aus drei Flügeln. Im mittleren Flügel befand sich unter anderem die Schlosskapelle. Neben dem Schlossgebäude gab es noch das Haus des Kommandanten, das große Zeughaus und eine Reihe von Unterkunftsbaracken für die Garnison der Festung.

Harburg Ansichten 18

Das Schloß und die Festung Harburg während des 7-jährigen Krieges.

Nach der Eingliederung Harburgs nach Hannover dient das Schloss als Regionalverwaltung des Harburger Landgebietes. Nach dem 7-jährigen Krieg, in dem die Festung durch die Belagerung von 1757 stark beschädigt wurde, begann man die Anlage nach und nach zurückzubauen. Zunächst wurde das Torhaus abgerissen und 1784 entfernte man die Geschütze aus den Bastionen. Bis zum Jahr 1813 diente das Schloss nun als Verwaltungssitz und auch teilweise als Gefängnis. Es gibt einen Bericht eines Gefangenen, des Oberst Seyfaardt, welcher 1804, also schon zur Zeit der französischen Besatzung, Insasse dieser Haftanstalt war:

„Des Morgens um 7, Mittags um 12 und Abends um 5 Uhr werden jedes Cachot, eines nach dem anderen geöffnet, um den Gefangenen auf den Abtritt zu lassen, welcher in dem Gewölbe war. Dieses geschah durch den Kerkermeister und seine Aufpasser, welche beide große Stöcke in der Hand hatten und so lange vor der Thüre stehen blieben, bis man wieder herein war. Der Kerkermeister, Namens Schmalfeld, sagte mir, wenn ich warmes Essen haben wolle, so sollte ich ihm Geld geben, dann wollte er mir welches besorgen. Dieses that ich und bekam alle Mittag um 11 Uhr einen erdenen Pott mit Suppe oder Kartoffeln, aber niemals Fleisch, von dem Marketender, welcher für die Gefangenen kochte. Mein Brot bekam ich geschnitten, weil es mir nicht erlaubt war, ein Messer zu haben. Keine Pfeife Tabak dürfe ich rauchen, nicht einmal ein Buch zu lesen wurde mir vergönnt. In dieser traurigen Lage brachte ich 5 Tage zu, ohne dass sich ein Mensch nach mir umsah, als der unfreundliche Schmalfeld“.

Harburger Schloss 01

Fußeisen und Handschellen aus dem alten Schlossgefängnis.

Im Jahr 1813, während der französischen Besetzung, brannte der mittlere Flügel des Schlosses mit der Kapelle nieder. Schon seit dem 3. Mai 1813 hatte das Schloss wiederholt als Nachtlager für französische Soldaten gedient. Dazu hatte die Stadt Betten, Stroh und Verpflegung zu liefern. Am 30. Mai, gegen 3 Uhr morgens, ging ein Bataillon Franzosen über die Elbe nach Wilhelmsburg in Richtung Hamburg. Die Soldaten hatten ihr Lager auf strohunterlegen Schlafstätten auf dem Boden über der Schlosskirche gehabt und wohl ihr Feuer auf der Fenstermauer nicht vollständig gelöscht. Durch aufkommenden starken Ostwind war das Feuer erneut entfacht worden und setzte das Stroh des Nachtlagers in Brand. Um 5.30 Uhr sah man schon die Flammen aus dem Kirchdach schlagen. Der brennende Boden stürzte schließlich in die darunterliegende Kirche und setzte dort die schöne Orgel, Bänke und Statuen in Brand. Die Franzosen, die zum Löschen herbeigeeilt waren, mussten sich zunächst um Kranke und Verwundete sowie um die im Schloss lagernden Pulvervorräte kümmern, wodurch das Feuer auch auf die Wohnung des Amtmannes, das Zeughaus, das Gefängnis, das Magazin sowie einige am Wall stehende Baracken überspringen konnte. Von 5.30 Uhr bis 7 Uhr Abends wütete der Brand und richtete erheblichen Schaden an. Glücklicherweise konnten die Kirchenbücher, einige alte Schriften sowie die Altar- und Kanzelbekleidung in Sicherheit gebracht werden.

Harburg Schanzen 03

Harburg im Jahr 1813

Stadt und Kirchen

Neben der Burg zählt die Siedlung auf dem Damm (heute die Schlossstraße), welcher durch Entwässerungsgräben und Erdaufwurf als Verbindungsstraße zwischen Geest und Burg diente, zum ältesten Teil der Stadt. Der kleine Hafen von Harburg bestand damals eigentlich nur aus dem südlichen Festungsgraben und dem Kaufhauskanal, welcher von Festungsgraben in Richtung Stadt abzweigte. Der Platz, welcher an diese beiden Gräben grenzte hieß passenderweise Kanalplatz. Diese von Laubbaumen gesäumte offene Fläche, galt als Umschlagplatz für Personen und Post von und nach Hamburg. Am Kaufhauskanal, dem Umschlagplatz für Waren und Güter stand auch das sogenannte Kaufhaus, ein Lagerhaus mit „Stapelzwang“. Da hier eine Zollgrenze verlief, bedeutete dies, dass alle einlaufenden Güter zwecks Verzollung ausgeladen werden mussten, selbst wenn sie andere Bestimmungsorte hatten. Die Waren wurden bewertet und mit Gebühren, also einem Zoll belegt. Wie zu vermuten ist, ein recht einträgliches Geschäft. In den beiden Häuserreihen links und rechts am Schlossdamm fand man das Rathaus, einen Klinkerbau aus dem Jahr 1734 mit Dachreiter, in dem eine Glocke hing sowie einem schönen Sandsteinportal mit großer Eingangstür. Die Glocke und das Sandsteinportal sind die letzten Reste dieses Gebäudes, die den Feuersturm des 2. Weltkriegs überdauert haben. Das heute wieder existierende Gasthaus „Der goldene Engel“ war einst eine Ausspannwirtschaft am Anfang der Schlossstraße. In den Ställen auf dem Hof konnte 50 Pferde untergebracht werden. Zu den Gästen zählten eher einfache Leute, wie die Kutscher, die hier den Gastraum bevölkerten und in den kleinen Zimmern ein Nachlager fanden. Die betuchten Bürger logierten übrigens eher am Kanalplatz und den dortigen Wirtschaften.

Harburg Schlossstraße Hof Goldener Engel

Um die Kapazität der Binnenmühle, auch Schlossmühle genannt, zu erhöhen, ließen die Harburger Herzöge einen Kanal zwischen der Seeve im Meckelfelder Moor bis zur Elbe anlegen. Die Binnenmühle befand sich zwischen der Siedlung auf dem Damm und der Mühlenstraße, wie die Weiterführung der Schlossstraße in Richtung „Neustadt“ hieß. Zwischen diesen beiden Abschnitten verlief der Mühlenbachkanal und verband so Seevekanal, Kaufhauskanal und Festungsgraben ringförmig miteinander. Unmittelbar vor dem Mühlengebäude überspannte eine kleine Brücke den Wasserlauf.

Als die Stadtfläche (Schlossdamm) irgendwann zu klein wurde, baute man südöstlich des Seevegrabens eine Häuserzeile, die Karnapp genannt wurde, was so viel wie „Ausbau /Erker“ bedeutet. Durch den Umbau der Burg zur Festung in der Mitte des 17. Jahrhunderts, mussten Teile der nördlichen Stadt abgetragen werden. Die Marienkirche mit Pastorenhäusern und Schule musste ebenso weichen, wie das gegenüberliegende Kaufhaus mit Kran und Waage. Der Kirchengemeinde wurde von der Regierung das Gelände des ehemaligen herzoglichen Gartens als Ersatz zur Verfügung gestellt, dem heutigem Standort der Dreifaltigkeitskirche. Besonders auffällig an der neuen Kirche war der hochaufragende, spitze Turm, der weithin sichtbar zum Wahrzeichen der Stadt wurde.

Harburg Ansichten 16

Die rund 50 umgesiedelten Familien erhielten kleine Grundstücke in der heutigen Neuen Straße, der Lämmertwiete, sowie später im Küchgarten und Schippsee. Eine Entschädigung für die Häuser gab es allerdings nicht. Für den Wiederaufbau des Kaufhauses bestimmte die Regierung das Gelände der ehemaligen herzoglichen Ziegelei (heute Buxtehuderstraße / Blohmstraße). Das nahegelegene „Behr’sche“ Haus in der Neuen Straße, das auch heute noch existiert, diente ebenfalls als Ausspannwirtschaft. Hier tummelten sich vor allem die Frachtfahrer, die nach getaner Arbeit im Kaufhaus sich und ihren Pferden eine Pause gönnten. Es gab zwei Tore in der Stadt, das Lüneburger Tor an der Ecke „Großer Schippsee“ und das Buxtehuder Tor an der „Neuen Straße“ beim Sand, wo auch der neue Marktplatz (noch heute ein täglicher Markt) zu finden war. Der alte Markt hatte sich davor unmittelbar gegenüber dem Rathaus befunden (was neuste archäologische Grabungen ergaben). Der Sand, eine ehemalige Sanddüne des Schwarzen Berges, diente schon früh als Handelsplatz für die Holzhändler. Ab 1650 wurde die Fläche zum ständigen Markt, auf dem hauptsächlich die Harburger ihre Waren anboten. Eine Stadtmauer bzw. eine Befestigungsanlage rund um die Stadt gab es zur Zeit der Napoleonischen Kriege nicht mehr. Harburg entwickelte sich trotz der Baumaßnahmen nur sehr langsam. Im 18. Jahrhundert wohnen konstant etwa 4000 Menschen in der Stadt.

Harburg Ansichten 09

Die Lämmertwiete in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Die Häuser von Harburg waren zum größten Teil aus Fachwerk und mit einem Ziegeldach (Strohdächer waren nach einem Großbrand schon früh in der Stadt verboten worden) versehen. Die Gefache der Häuser füllte man zu dieser Zeit schon mit Backsteine, welche bei wohlhabenden Besitzern Flechtmuster bildeten. Betuchte Bürger besahen häufig größere Gebäude, die mit der Breitseite zur Straße standen und mit einem Giebelvorbau mit der „Ultlucht“, einen Ausguck ausgestattet waren. Eine Eigenart der Harburger Häuser war ein dreigeteiltes Oberlicht über der Haustür, welches mit einer Laterne bestückt sowohl die Straße, als auch den Flur im Innern beleuchtete. Wie auch auf dem Land, waren Hausinschriften über der Eingangstür üblich. In der Lammertwiete Nr. 9 kann man noch eine solche Inschrift finden: „Jesus ist der Wächter des Hauses und der Meister des Lebens. Was auch immer das Haus bedroht, die Sonne der Frömmigkeit ist darin. Wenn Gott gibt, gilt der Neid nichts“. Statt der gekreuzten Pferdeköpfe und den Schwänen der Marsch, zierte in der Stadt oft ein kugelförmiges Gebilde der „Morgenstern“ den Giebel. Diese mittelalterliche „Waffe“ sollte Feinde und Böses abwehren. Die Aufteilung der Innenräume hatte bei älteren Stadtgebäuden eine gewisse Ähnlichkeit mit der Aufteilung in den Bauerhäusern auf dem Lande. So waren auch hier von der großen Diele im hinteren Teil des Gebäudes einige Schlafkammer und die Stube abgeteilt. Später rückten die Wohnbereiche in Richtung Straße, vor allem, um bei einem Brand schnell diese erreichen zu können. Alle Häuser hatten auf der Rückseite einen Garten, in dem vorwiegend Gemüse für den Eigenbedarf angebaut wurde. Die Wohnqualität in den einfachen Harburger Stadthäusern um 1800 war allerdings nicht sehr hoch. Eine französischer Soldat berichtet von seiner Einquartierung zu dieser Zeit: „Wir finden eine vollzählige deutsche Familie beim Kaffeetrinken in der Stube, einem Zimmer mit großem Kachelofen, das seit Beginn der kalten Jahreszeit nicht richtig gelüftet worden ist. Die Leute leben wie die Tiere, sie sahen trübselig aus, so sehr, dass wir glaubten, sie hätten irgendein Leid“.

Harburg Ansichten 02

Befestigung der Stadt 1813

Am 3. Juni 1813 mussten auf Befehl des in Harburg kommandierenden Generals Pècheux die restlichen Bewohner des Harburger Schlosses dieses verlassen, da es zukünftig rein militärisch genutzt werden sollte. Auf direkten Befehl Napoleons, welcher als Handschreiben am 12. Juni einging, sollte das Harburger Schloss, die Stadt und die gesamte Umgebung befestigt werden, um einer Belagerung zumindest zeitweise standhalten zu können. Das Schloss stellte in seinen Plänen einen Brückenkopf im Süden dar, welcher durch eine Verbindungstraße mit einer neu zu errichtenden Zitadelle vor den Toren Hamburgs verbunden werden sollte. Die beiden Festungen sollten außerdem als letzter Rückzugspunkt für die Französischen Truppen dienen. Da aus baulichen Gründen die Hamburger Zitadelle nicht errichtet werden konnte, fiel Harburg, als einzige Festung, nun eine besondere Bedeutung zu.

Harburg Schanzen 02

Dieser Plan zeigt in hellroten Flächen die Gebäude, welche abgebrannt wurden sowie in dunkelrot die Verteidigungsanlagen der Stadt, des Schwarzen Berges, des Harburger Schlosses und die Verbindungsstraße nach Hamburg.

Ab den 5. August 1813 begannen die Franzosen verstärkt mit den Arbeiten und der Ausführung der Befehle Napoleons. Die außerhalb der Stadt liegenden Scheunen und Häuser wurden, wenn sie eine Sichtbehinderung darstellten, niedergerissen oder in Kasematten und befestigte Schießhäuser verwandelt. Innerhalb der Stadt wurden alle Gebäude und Bäume rund um die Festungsanlage niedergerissen bzw. abgeholzt. Der Kanalplatz südlich des Schlosses diente als Aufmarschgebiet für die Französischen Besatzungstruppen. Auch die an die Häuser grenzenden Gärten wurden verwüstet, alle Bäume gefällt und das Holz für den Bau von Schanzen verwendet. Man errichtete außerdem mehrere „bombensichere“ Blockhäuser rund um die Stadt, die teilweise mit leichten Geschützen auf den Dächern ausgestattet waren. Das Lüneburger Tor verbarrikadierte man mit starken Pfählen und sicherte es zusätzlich mit einer Palisade. Das nebenstehende Armenhaus diente als Wachstube für die Posten am Tor. Noch intakt waren die beiden Schlossbrücken und Zugänge im Süden und Nordosten der Festungsanlage, die beide durch Zugbrücken gesichert waren. Zusätzlich wurde eine dritte Brücke im Norden angelegt, die eine direkte Verbindung mit dem gerade errichteten Fähr- und Brückenweg nach Hamburg herstellte. Über den Übergang an der westlichen Schleuse konnte man außerdem zum Deichweg nach Lauenbruch gelangen. Somit waren für die Franzosen Bewegungen aus dem Schloss heraus in alle Richtungen möglich. Als nächstes stand die weitere Außensicherung der Stadt an, in dessen Verlauf die Straßen durch Quergräben und Hindernisse blockiert wurden. Die Arbeiten kamen allerdings nur sehr schleppend voran, da es überall an Arbeitskräften mangelte.

Als im September 1813 die französische Niederlage in der Schlacht an der Göhrde bekannt wurde, verdoppelte man fieberhaft die Anstrengungen zur Sicherung der Stadt. Man rechnete nun jederzeit mit dem eintreffen des Feindes. Vor allem auf dem benachbarten Schwarzen Berg entstanden Gräben, Schanzen und Artillerie-Stellungen. Dieser Höhenzug bot eine gute Sicht auf Harburg und Hamburg sowie eine perfekte Stellung für die Artillerie. Es wurde 3 Redouten angelegt, die mit Geschützen bestückt die 3 Schluchten beherrschen sollten, welche auf den Berg hinauf führten. Zeitweise waren bei diesen Arbeiten bis zu 10.000 Mann im Einsatz, die von 1.500 bis 2.000 französischen Soldaten unter dem Kommando des General Osten gedeckt wurden. Aber erst nach der verhängnisvollen Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden. Neben den schon gewähnten Redouten gab es nun weitere vorgeschobene Schanzen, sogenannte Lünetten, und Laufgräben, welche alle Stellungen miteinander verbanden. Ein dichtes Netz von Annäherungshindernissen, wie Gruben, Pfähle, Spanische Reiter und Minen schütze die Feldstellung zusätzlich. In den Redouten und Lünetten, sowie an besonders gefährdeten Stellen errichtete man insgesamt 8 Blockhäuser, die Erdaufschüttungen bis an die Schießscharten erhielten. Von einem Gehöft am Fuße des Berges konnte außerdem das Überschwemmungsgebiet, welches man auf den Wiesen der östlichen Flanke angelegt hatte, bestrichen werden. In den Lünetten waren meist nur Feldgeschütze aufgestellt, um die schweren Kaliber nicht in Gefahr zu bringen. Die Redouten waren mit 12-Pfündern gestückt. General Jouffroy beaufsichtigte die Aufstellung der Geschütze und ließ Schussmarken im Gelände anbringen. Eine 12-Pfünder-Batterie stand außerdem als mobile Reserve bereit. Insgesamt wurden in Harburg sieben 24-Pfünder, zwei 18-Pfünder, zwei 16-Pfünder, neunzehn 12-Pfünder, sechs 8-Pfünder und drei 4-Pfünder, sowie zwei achtzöllige Mörser und zwei 24-pfündige Karronaden eingesetzt. Hier am Schwarzen Berg lagerte, neben dem Schloss in Harburg, auch der größte Teil der Französischen Besatzungstruppen. Für rund 3.000 Soldaten hatte man Barackenunterkünfte aus Holzgestellen, welche mit Zweigen und Heideplaggen bedeckt waren, aufgestellt. In jeder dieser Baracken waren 70 bis 100 Mann untergebracht. Vom Lager am Schwarzen Berg berichtete man, dass, nachdem die Franzosen wiederholt das Holz der Särge eines benachbarten Friedhofs für ihre Wachfeuer verwendet hatten, der französische Kommandeur Pècheux auf Bitten der Harburger einen Wachposten vor dem Grabmal des General-Majors Scheither, einem lokalen Helden, abstellen ließ. Die Offiziere bekamen Privatunterkünfte zugeteilt, wobei je nach Dienstgrad genau festgelegt war, wie viele Räume, Heizung und Kerzen ihm zustanden.

Wilhelmsburg

Da die Kämpfe im Jahr 1813-14 nicht nur in Harburg, sondern wie schon an anderer Stelle erwähnt im großen Umfang auch auf den Elbinseln stattfanden, sei hier noch kurz auf die Befestigung-Maßnahmen dieses Gebietes eingegangen. Man hatte auf der Veddel drei große Feldschanzen und auf Wilhelmsburg, gegenüber dem Harburger Schloss und am Reiherstieg einige weitere Geschützbatterien aufgestellt. Im Detail sah die Verteilung der Schanzen wie folgt aus: Eine Schanze an der „Honartsdeicher Schleuse“, eine am „Klütjenfeld“ und eine weitere zwischen „Im Busch“ und „Vogelhüttendeich“. Diese drei Schanzen bildeten zusammen ein gleichseitiges Dreieck, welche den nördlichen Bereich sicherten. Eine vierte und fünfte Schanze wurde direkt am Reiherstieg errichtet. Eine lag dort, wo der „Vogelhüttendeich“ an diesen stößt und die zweite an der alten Schleuse. Die sechste Schanze befand sich an der Stelle, wo „Grüner Deich“ und „Haulander Weg“ zusammenliefen. Eine siebte Schanze legte man an der Stelle an, wo sich der heutige „Reiherstieger Friedhof“ befindet und die achte lag am „Einlagedeich“. Auf der benachbarten Insel Neuhof wurden außerdem weitere sieben Schanzen am Ufer zum Reiherstieg gebaut. Zusätzlich waren die Brückenköpfe des neuen Verbindungsweges durch Palisaden und Blockhäuser gesichert. Dort wo die Brücken über festen Grund führten und man befürchtete, dass hier der Feind anlanden und einen Angriff versuchen könnte, wurden zusätzliche Verteidigungsstellen eingerichtet.

Für diese Stellungen hatte man die Brückengeländer mit 2,8 Meter hohen Bohlen verschalt und dahinter 3 Meter tief Pferdemist aufgehäuft. Zusätzlich erhielt jede dieser Schanzen ein kleines, hölzernes Wachhaus.

Brucke und Fahre 01

Die Fähre von Harburg nach Wilhelmsburg.

Harburg gestern und heute

Trotz der ungeheuren Zerstörung in dieser Zeit und erneuter Verwüstung im 2. Weltkrieg, der starken Industrialisierung der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, sowie dem Bau von großen Eisenbahntrassen und Straßen in diesem Gebiet, sind erstaunlicherweise noch eine ganze Reihe von alten Gebäuden und Geländemerkmalen aus dieser Zeit erhalten geblieben.

 Harburg Ansichten 12

Der letzte Rest des Harburger Schlosses.

Harburger Schlossinsel

Die Harburger Schlossinsel und die Gebäude des Schlosses sind zwar zum großen Teil verschwunden, jedoch noch durch einen Schlossflügel und den vorhandenen Schlossgraben erkennbar. Die Schlossinsel befand sich bis vor kurzen noch inmitten eines Industriegebietes, wurde in den letzten Jahren aber zum Wohnviertel mit Yachthafen umgewandelt. Heute erinnern Gedenktafeln und zahlreiche neue Straßennamen (An der Horeburg, Zitadellenstraße, Am Festungsgraben) an die alte Zeit. Es ist außerdem geplant, das noch intakte Kellergewölbe des Schlosses zu restaurieren und in eine Nebenstelle mit Ausstellungfläche des Harburger Helms Museums umzuwandeln.

Harburg Ansichten 13

Im Garten des Schlosses findet sich heute dieses originelle Denkmal, welche die Schanzen und das Schloss in der Mitte zeigt.

Harburger Schloßstraße

In der ursprünglichen Altstadt Harburgs, der Schlossstraße auf dem „Damm“, sind einige der alten Fachwerkhäuser erhalten. Die Denkmalschutzliste Harburgs verzeichnet die Häuser Nr. 5, ein 2-geschossiges Fachwerkgiebelhaus von 1750, die Nr. 7, ein Gebäude von 1742/43, Nr. 9, ein Fachwerk-Traufenhaus mit Doppelständern und Balkenkopfverbretterung vom Ende des 18. Jahrhunderts und die Nr. 13, ein Fachwerkgiebelhaus um 1770.

Harburg Ansichten 07

Gebäude in der Harburger Schlossstraße

Harburg Ansichten 08

Harburg Ansichten 14

Der „Goldene Engel“ einst, wie heute eine Gastwirtschaft.

Karnapp

Hier steht noch ein Fachwerkhaus aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, welches heute die Hausnummer 5 hat.

Kaufhauskanal und Kaufhaus

Der alte Kaufhauskanal und das Kaufhaus (allerdings nur das letzte Gebäude von 1827) sind noch erhalten. Das Kaufhaus steht zwar nicht mehr an der Originalstelle, wird jetzt aber gerade restauriert und zu einem Konzertsaal umgebaut.

Harburg Ansichten 11

Neue Straße

In dieser Straße erinnert nach Haus Nr. 47, ein um 1630 entstandenes Fachwerkgiebelhaus, welches von der Schloßstraße im Zuge der Erweiterung der Festung umgesiedelt wurde sowie die Nr. 59, bei dem es sich um das ehemaliges Amtsgerichtsgebäude von 1780 handelt, an die alte Zeit.

Harburg Ansichten 03

Harburg Ansichten 06

Lämmertwiete

Diese und die angrenzenden Straßen gelten heute als „Altstadt“ von Harburg, in der zahlreiche Restaurant und Kneipen zu finden sind. Zu den historischen Gebäuden zählen das Haus Nr. 6, ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert, die Nr. 9, ein Fachwerkhaus, erbaut 1683, die Nr. 10 ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert und Teile des Fachwerkhauses am Schloßmühlendamm / Ecke Lämmertwiete.

Harburg Ansichten 05

Die Harburger Mühlen

Sowohl die Buten- als auch die Binnenmühle sind vollständig verschwunden. An die Gebäude erinnern nur noch der Außenmühlensee und die Mühlensteine der Binnenmühle, die heute vor dem Archäologischem Museum zu finden sind. Glücklicherweise sind einige alte Fotos erhalten, die beide Gebäude aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen. Der alte Seevekanal fließt nahezu in unverändertem Verlauf, ist aber im Stadtgebiet teilweise überbaut worden.

Harburg Butenmühle 05

Altes Rathaus

Von diesem Gebäude existieren nur noch das Sandstein-Portal von 1733, jetzt in der Nähe des Museum in der Knoopstraße zu finden, sowie die Glocke aus dem Dachreiter, welche im Helms-Museum verwahrt wird.

Harburg Ansichten 19

Die Dreifaltigkeitskirche

Auch das Harburger Wahrzeichen, die Dreifaltigkeitskirche wurde im 2. Weltkrieg durch Bomben zerstört. Heute erinnert nur noch das Portal an das alte Bauwerk sowie einige Requisiten, wie ein altes Zinnkreuz, alte Grabplatten, Reste des Gestühls, Kultgeräte und die Wetterfahne von 1652, die teilweise im Harburger Museum verwahrt werden.

Harburg Ansichten 04

Stadttore

An die alten Stadttore erinnert noch der Straßenname „Lüneburger Tor“.

Harburg Ansichten 15

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