Im nördlichen Niedersachen, in der Nähe der Orte Dannenberg und Dömitz findet man das kleine Dorf Damnatz, welches unmittelbar am südlichen Ufer des Elbstromes liegt. Der Ort ist noch immer geprägt durch seine schönen alten Fachwerkbauten. Einige der Zweiständerhäuser stammen noch aus der ersten Wiederaufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg.
Zweiständerbau von 1734
Gegenüber dem ältesten Gebäude von Damnatz, der Fachwerkkirche aus dem Jahr 1617, stand bis 1959 das alte Mattiesche Gehöft. Dieses typische niedersächsische Hallenhaus wurde im Jahr 1650 errichtet und war einst, wie der Schriftzug über der Eingangstür „Wer Bihr und Brantewein mag der kom herein weg h Anno 1650“ vermuten lässt, ein Gasthaus. Die letzten Überreste des Mattieschen Hofes sind die beiden Torflügel der Toreinfahrt, die man seit 1905 und bis heute in der Ausstellung des Celler Schlossmuseums finden kann. Auffällig ist, dass die Torflügel von mehr als 100 Kugeln durchbohrt sind.
Die Torflügel des Mattieschen Hofes im Celler Schlossmuseum
Auch in der Damantzer Kirche, deren Turm wahrscheinlich im Jahre 1813 hinzugefügt wurde, werden Besuchern gern die noch vorhandenen Einschusslöcher in der Orgel und der Empore gezeigt. Alle diese Beschädigungen stammen aus dem Jahr 1813, als der kleine Ort Schauplatz eines blutigen Gefechtes wurde.
Die Einschlusslöcher sind deutlich erkennbar.
Im Sommer des Jahres 1813 werden die Kämpfe der sogenannten Befreiungskriege, die zwischen Frankreich und den alliierten Mächten Russland und Preußen toben durch den Waffenstillstand von Pläswitz vom 4. Juni bis 10. August unterbrochen. In dieser Zeit traten der Koalition von Russland und Preußen auch England, Österreich und schließlich Schweden bei. Für die Zeit des Waffenstillstandes wurde eine Demarkationslinie festgelegt, welche die Kriegsparteien trennte. Im Norden verlief diese Linie an lang der Elbe bis Lauenburg, wo sie am Stecknitzkanal bis Lübeck und schließlich zur Ostsee führte. In dieser Gegend standen sich während des Waffenstillstandes das Französische XIII Korps unter dem Befehl von Marschall Davout und das alliierte Korps Wallmoden abwartend gegenüber.
Alte Wirtschaftsgebäude in Damnatz
Im Juli 1813 hatten die Franzosen Damnatz, wie auch andere Elborte, zu einem befestigten Vorposten ausgebaut. Johann Christian Pflug, der damalige Pastor von Damnatz, schrieb am 21. Oktober 1813 folgenden Bericht: „Anno 1813 , den 7. Juli ging hier der Befehl ein, die Kirche sofort zu räumen, weil sie verschanzt werden sollte. Nachdem dieser Befehl vom 8. d. M. vollzogen und französischen Truppen eingerückt waren, ging die Verschanzung würklich vor sich. Es wurden hohe Pallisaden rings um die Kirche eingesetzt. Hinter denselben würde eine Brustwehr ausgeworfen und vor demselben waren Weidenbäume mit zugespitzten Zweigen befestigt. Mehrere Todte mussten dieserwegen ihre bisherige Ruhestätte mit einer anderen Vertauschen, wodurch den Angehörigen viel Herzeleid verursacht wurde. Selbst im inneren der Kirche wurden Pallisaden angebracht und dadurch auch der Fußboden ruiniert. Der Klockthurm diente zum Pferdestall für einige Ulahnen. Nachdem so die Befestigung vollendet, mußte auch auf 14 Tage Lebensmittel für etwa 50 Mann hereingeschafft werden. Ehe indessen der Waffenstillstand beendigt war, wurden sowohl von hier als auch aus den benachbarten Befestigungen jene Lebensmittel nach dem Hopte bei Winsen an der Luhe abgeführt und nach Ablauf derselben folgten die Truppen nach. Kaum waren aber einige Tage vergangen, so kehrten die Truppen zurück und bezogen wieder ihre Verschanzungen. So blieb es ruhig bis zum 25. August.“ Bei den französischen Truppen die hier stationiert waren, handelte es sich um eine Kompanie des 48. Linienregiments, welches zur 3. Division des Generals Loisson gehörte.
Soldaten des hannoverschen Jägerkorps Kielmannsegge im Erscheinungsbild von 1813.
Schon kurz nach Beendigung des Waffenstillstandes kam es zu ersten kleinen Gefechten und Schusswechseln. Vor allem nördlich der Elbe entwickelten sich größere Gefechte. Das Korps Wallmoden unternahm jedoch auch Einsätze, die über die Elbe nach Süden führen, um hier die Kommunikation zwischen Hamburg und Magdeburg zu unterbinden. Das 2. Infanterie Bataillon der Hanseatischen Legion und 50 Hanseatische Reiter (einige Männer von jeder Schwadron des Regiments) wurden unter dem Kommando des Lieutenants Dorfmeier und der Cornets Meyer und Heinzen nach Dömitz beordert, wo sie zusammen mit den Kielmansegger Jägern und vermutlich auch den Jägern der Russisch-Deutschen Legion einquartiert wurden.
Der Torbereich der festung Dömitz.
Am 18. August setzten die Lieutenants Dorfmeier und Winckler, sowie Cornet Meyer mit 30 Mann der 2. Bataillons der Hanseatischen Legion von Dömitz aus über die Elbe, wo sie einen französischen Offizier mit Depeschen aus Magdeburg gefangen nehmen, Teile der dortigen Verschanzungen zerstören, 30 Ochsen der französischen Armee requirieren und die Kasse Westfälischer Zollbeamter erbeuten. Auch die Franzosen waren nicht untätig, sie besetzten am 21. August die Fährstelle bei Wufsal gegenüber von Dömitz und beschossen das von Feinden besetzte Ufer. Die Alliierte Truppe zog daraufhin am 23. August ihre Posten an der Elbe zurück und verließ die Festung Dömitz vorläufig.
Diese Karte der Kurhannoversche Landesaufnahme aus dem 18. Jahrhundert zeigt Domitz und den Elbübergang bei Wulfsal.
In der Nacht des 24. Augustes marschierten Abteilungen der Jäger der Russisch-Deutschen Legion, des hannoverschen Jägerkorps Kielmannsegge, der Lübecker Hanseaten und die Hanseatische Reiter zurück nach Dömitz. Hier wurde ein Kommando unter dem Oberbefehl des Hannoverschen Oberstleutnant von Beaulieu zusammengestellt, welches auch zwei britischen 2-Pfünder „galloper-guns“ der hannoverschen Jäger beinhaltete.
Vermutlich sahen so die leichte Kanonen der hannoverschen Jäger aus.
Die Männer setzten im Schutze der Dunkelheit in Kähnen oberhalb von Dömitz über die Elbe. Das Kommando, das jetzt Kaltenhof erreichte, soll eine Stärke von 150 bis 300 Mann gehabt haben, vermutlich je eine Kompanie der Russisch-Deutschen Legion, eine des hannoverschen Jägerkorps und der Hanseaten (Jäger, Füsiliere und Reiter). Nach einem Feuergefecht an der Fährstelle wurde die Verschanzung von Wulfsal genommen und die Franzosen zogen sich eilig ins 4 Kilometer entfernte Damnatz zurück, wo sie in der verschanzten Kirche Stellung bezogen. Die nachrückenden Jäger gingen auf der Elbseite des Deiches, also durch den Deich gedeckt, in Position und verteilten sich auf die umliegenden Häusern, wo sie auf dem Boden liegend und hinter den Fenstern Deckung suchten.
Damantz und die nähere Umgebung.
Es entstand sofort ein heftiges Feuergefecht, das über einen Zeitraum von mehr als 2 Stunden anhielt. Der Jäger Horn berichtet: „Während wir vor der Schanze von Damnatz standen, kamen die Bauernmädchen vom Dorfe mitten durch den feindlichen Kugelregen und brachten uns Milch, Bier, Branntwein und Brot. Ich sagte zu einer, sie möge sich doch in Acht nehmen, und ob sie nicht fürchte, totgeschossen zu werden?“ „Oh!“ sagte sie, „et bliebet hüte sau vehle von juen ohr Lüen, also kan ick woll eene von uß starben.“ (Oh! Es bleiben heute so viele von euch hier liegen, also kann wohl auch eine von uns sterben). Schließlich ergaben sich die Franzosen und 2 Offiziere sowie 99 Unteroffiziere und Soldaten legten ihre Waffen nieder. Die Franzosen hatten 15 Tote und Verwundete. Die Alliierten zählten 3 Tote (Lieutenant Adolf Meyer, Jäger Gottl. Schulz und Füsilier Weiß) und 6 leicht Verwundete.
Ganz rechts ist eine Jäger der Ruissisch-deutschen Legion zu sehen.
Das Kommando wurde jetzt durch die in Reserve gehaltenen hanseatischen Reiter und die 2 leichten Geschütze der Kielmansegger Jäger verstärkt. Von Damnatz rückte die Truppe weiter vor bis ins 8 Kilometer entfernte Dannenberg, wo sich die französische Besatzung im hochgelegenen Amtshaus, dem Waldemarturm verschanzt hatte und hartnäckig verteidigte. Vom Turm aus wurden die Angreifer auf der Jeetzel-Brücke unter Feuer genommen, die sie beim Anrücken passieren mussten. Dabei wurden der Artillerie-Captain Schäfer getötet und der Oberjäger Schön am Fuß verwundet.
Der Waldemarturm in Dannenberg.
Da die beiden zur Bedienungsmannschaft der leichten Geschütze gehörten, mussten Lieutenant Dorfmeier und einige der Reiter der Hanseatischen Kavallerie für sie einspringen. Sie luden die Kanonen und beschossen den Turm so lange, bis die Franzosen die Waffen streckten. Um 4 Uhr Nachmittags wurde der Turm eingenommen und 1 Offizier und 40 Mann der jungen Pariser Garde wurden gefangengenommen. Die Franzosen beklagten außerdem 6 Tote und 19 Verwundete. Die Verluste der Alliierten bestanden aus einem getöteten Offizier, einem schwer Verwundeten und 10 leicht Verwundeten.
Dannenberg und die nähere Umgebung.
Das Resultat des Unternehmens waren 142 unversehrte und 45 verwundete Gefangene. Neben diesen hatten die Franzosen 21 Tote zu beklagen. Die Gefangenen wurden allesamt nach Dömitz gebracht, wo vermutlich 7 weitere Verwundete starben und auf dem dortigen Friedhof bestattet wurden. Der Verlust des Korps Wallmoden bestand aus 4 getöteten Offizieren und Soldaten sowie 17 verwundeten Jägern und Füsilieren. Die Jäger Koch und Pflüg wurden für ihren Einsatz ausgezeichnet. Am 26. August beerdigte man die Gefallenen mit allen militärischen Ehren auf dem Dömitzer Gottesacker.
Der Soldat ganz links ist ein Jäger der Lübecker Hanseaten. Der Reiter gehört ebenfalls zur Hanseatischen Legion.
Auf Befehl von Oberstleutnant Beaulieu wurden die Palisaden um die Kirche in Damnatz niedergerissen und der Kirchhof wieder geebnet. Es sollte jedoch noch bis zum 17. Oktober 1813 dauern, ehe der Gottesdienst in der Kirche wieder abgehalten werden konnte. Die alliierten Truppen konnten sich auch weiterhin in der Gegend von Dannenberg festsetzten und mit den Reitern bis Uelzen und Salzwedel vorstoßen. Die Franzosen zogen ihre Vorposten nach diesem Handstreich bis Bleckede zurück. So wurde schließlich wie geplant der Kommunikationsweg der Franzosen von Hamburg nach Magdeburg unterbrochen, ein Brückenkopf gebildet und der Elbübergang des Korps Wallmoden vorbereitet.
Ein schönes Damnatzer Hallenhaus aus dem Jahr 1664.
100 Jahre nach diesem Ereignis wurde im Rahmen einer Gedenkfeier eine Bronzetafel an der Kirche zu Ehren der Dannenberger Mädchen aufgehängt, die im Kugelhagel ihre Landsleute versorgten. Auch ein Gedenkstein für die an der Kirche begrabenen Franzosen wurde im Rahmen dieses Anlasses aufgestellt.
Das wäre doch mal ein cooles Skirmish. Damnatz bauen und den Angriff darauf nachspielen. Tactica Thema Frank??
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Danke – thank you for posting such interesting pictures and maps
Chris
http://notjustoldschool.blogspot.co.uk/
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Vielen Dank!
@Koppi: heute sind tatsächlich die ersten Figuren für diese Projekt eingetroffen (28 mm Kielmansegger Jäger + Leichte Kanone). Jens hat übrigens schon früher mal die Kirche und ein paar Bauerhäuser in 1/72 gebaut. Das Ganze wird aber wohl nur ein Nebenprojekt, also nichts für die Tactica.
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