Luftaufklärung im Sudan

Eine äußerst ungewöhnliche Abteilung der Britischen Armee war die Ballon-Einheit unter der Führung von Major James Templer, einem der bekanntesten britischen Ballonfahrer dieser Zeit, und seines Assistenten Lieutenant MacKenzie. Diese Ballon Einheit war den Royal Engineers, einem Korps, zuständig für die technische Unterstützung der britischen Armee unterstellt.

Templer konstruierte 1878 den ersten britischen Ballon, welcher für militärische Zwecke gebaut wurde. Das Britische Militär begann daraufhin 1880 mit der Ausbildung von Ballonfahrer. Das Training sah sowohl die Beobachtung aus einem Fesselballon, sowie den freien Flug vor, welcher notwendig war, um einen losgerissenen Ballon sicher führen zu können. Zunächst machte aber noch die Aufbewahrung des Gases Probleme und es nahm auch noch sehr viel Zeit in Anspruch, einen Ballon vor Ort startbereit zu machen. Diese Schwierigkeiten konnten erst mit der Entwicklung von Kompressionszylindern behoben werden, die es Anfang 1890 möglich machten, einen Ballon in nur 15 Minuten zu befüllen. Templer stellte außerdem fest, dass ein leichterer und unempfindlicher Stoff für die Außenhaut benötigt wurde. Er fand eine Firma, die für ihre Spielzeugballons Goldschlägerhäutchen verwendete. Goldschlägerhäutchen auch Darmserosa genannt, wird aus der äußersten Hautschicht von Rinderblinddärmen hergestellt. Diese Häutchen wurden in bis zu sieben Lagen auf eine Trägerschicht aus Stoff aufgebracht, bevor diese dann in langen Bahnen zu einem Ballon zusammengefügt wurden. Er nahm die Firma unter Vertrag und ließ sie in der School of Ballooning in Chatham den neuen Stoff produzieren. Am Ende des Jahres 1883 konnte ein Ballon produziert werden, der es einem einzelnen Beobachter erlaubte, mit diesem in eine geeignete Höhe aufzusteigen.

Während der Suakin Kampagne von 1885 wurde nun erstmalig in der britischen Armee ein Fesselballon zur Beobachtung des Feindes eingesetzt und bezeichnet damit den Beginn der britischen Luftaufklärung. Er wurde zunächst im März 1885 in der Nähe der Shata Quellen getestet, um dann später auf dem Marsch zusammen mit der Truppe verwendet werden zu können.

In den Aufzeichnungen des jungen Offiziers Ernest Gambier Perry (Suakin, 1885) wird eine genaue Beschreibung des Ballon, sowie seines Einsatzes gegeben:

Der Ballon, welcher aus Goldschlägerhäutchen bestand und mit einem Netz umgeben war, wurde am Abend zum rechten Wasserfort gebrach und dort in einem Graben ausgelegt. Als ich das Fort kurz vor Tagesanbruch erreichte, fand ich den Ballon fertig gefüllt und bereit für den Einsatz. Ich war von seiner Größe enttäuscht, hatten ich doch ein weit größeres Exemplar erwartet. Der Korb unter dem Ballon machte nicht den Eindruck, als könnte er mehr als eine einzige Person aufnehmen. Die tatsächlichen Ausmaße des Ballons betrugen 23 Fuß im Durchmesser, mit einem Gesamtgewicht von 90 Pfund. Gefüllt war es mit 7.000 Kubikfuß Gas, welches aus Chatam stammte und somit einen Weg von nahezu 4.000 Meilen zurückgelegt hatte. Schon bald war unsere Truppe formiert und bereit zum Aufbruch. Der Ballon stieg langsam auf eine Höhe von rund 200 Fuß, wobei er mit dem Boden durch 2 Leinen verbunden war, die an einem Wagen befestig wurden, welcher  in der Mitte unseres Karrees geführt wurde. Es war schwierig die Leinen nicht zu überdehnen und so wurde der Wagen mit äußerster Vorsicht über unebenes Terrain geführt. Die Kommunikation mit dem Ballonfahrer bewerkstelligte man  durch schriftliche Mitteilungen und schon bald kam ein Brief zu uns herunter, der darüber informierte, dass der Feind noch immer die flüchtigen Kamele in Richtung Meer verfolgte und diese tötete, sobald er sie eingeholt hatte. Als die Truppe das Lager erreichte, wurde der Ballon herabgezogen und zusammengelegt. Das Gas wurde, so weit wie möglich, wider abgefüllt, um es für einen weiteren Einsatz verwenden zu können.“

Ballon 04

Auch E.A. de Cosson beschreibt seinen Eindrücke und Erlebnisse (Fighting the Fuzzy Wuzzys):

„ Lieutenant MccKenzie von den Royal Engineers, ein Leichtgewicht, war im Korb des Ballons zum Beobachtungsdienst eingeteilt…Der Ballon blieb am ersten Tag neun Stunden in der Luft und wurde dann im Lager eingeholt und verpackt.“

Ballon 03

Der Ballon erwies sich als äußerst nützlich. Der Beobachtungsposten im Korb konnte verborgene feindliche Gruppen sofort ausmachen, welche unter anderen Umständen unentdeckt geblieben wären. Am nächsten Tag stieg der Ballon erneut auf:

„…Es ist Wind aufgekommen und es wird bald klar, das der Ballon in Schwierigkeiten ist. Major Templer, der viele Jahre seines Lebens der Kunst des Ballon-Fahrens widmete, sieht ängstlich aus und beobachtet jede Bewegung des Wagens, mit welchem der Ballon verbunden ist, mit äußerster Sorge. Dann zeigt sich ein Riss an der Unterseite der Außenhaut, der schon bald größer wird. Daraufhin wird der Ballon um 11 Uhr eingeholt und verstaut.“

Zum Glück war der Schaden nicht allzu groß und reparabel. Major Templer hatte außerdem, in weiser Voraussicht, einen zweiten Ballon verfügbar. Ein Korrespondent der Times fragte Lieutenant MacKenzie was er im Falle eines Angriffes, bei dem er noch im Ballon, über der Truppe schweben würde, zu unternehmen gedenke. Er antwortete, dass er ebenfalls schon darüber nachgedacht hätte und zu dem Schluss gekommen ist, in einem solchen Fall bis auf 50 Fuß abzusinken und dann den Anker vom Ballon aus so lange zu verteidigten, bis Hilfe einträfe. Es wurde deshalb auch darüber nachgedacht, die Seile, die den Ballon mit dem Boden verbanden, mit einem Schutz zu umgeben. Dieser Schutz sollte verhindern, dass feindlichen Ansari das Seil mit ihren Schwertern durchschneiden oder eine verirrte Gewehrkugel es durchtrennte und der Ballon dann hilflos davon treiben würde.

Der Ballon wurde auch zusammen mit dem neu gebildeten Camel Corps eingesetzt. Ziel der gemeinsamen Aktion war die Erkundung der Straße nach Es Sibil. Bei diesem Einsatz ließ Major Templer sogar einen verbündeten Einheimischen, der über besonders scharfe Augen verfügte, mit dem Ballon aufsteigen. In Tambouk erreichte der Ballon das Lager der Guards, wo er vor Anker ging und 5 Tage über diesem schwebte, um die Gegend zu beobachten. Hier wurde außerdem ein kleinerer Pilot-Ballon, der in höheren Luftströmungen schwebte, eingesetzt. Wiederum saßen verbündete Einheimische im Korb des Ballons, die, zur allgemeinen Erheiterung, schwer seekrank sind, als der Ballon wieder eingeholt wurde.

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