In den letzten Tagen habe ich ein weiters Regelwerk auf Herz und Nieren getestet. Es handelt sich um „Death In The Dark Continent“ von Chris Peers. Die Regeln stammen schon aus dem Jahr 2009, wurden aber in Zusammenarbeit mit North Star im Jahr 2017 noch einmal neu veröffentlicht. Das 175-seitige Regelwerk ist als Hardcover erhältlich und ist extrem aufwendig produziert. Unzählige Bilder, Zeichnungen und Fotos sowie ein stylisches Layout machen das Durchblättern und Lesen zu einer wahren Freude.

Chris Peers ist nicht nur als Regelschreiber bekannt, er entwickelte u.a. Frühwerke wie „In the Heart of Africa“ und neuere, wie 2014 „On the Seven Seas“, sondern auch als Buchautor und Experte für antike- und mittelalterliche Militärgeschichte sowie das Thema „afrikanische Stammeskrieger“. Legendär sind natürlich seine bei Wargames Foundry erschienenen Bände „Armies oft he 19th Century – Central Africa“ und „East Africa“.

Death In The Dark Continent beinhaltet nicht nur die Basis-Regeln, sondern auch einen Abschnitt mit Sonderregeln und Szenarien sowie ein wahrlich episches Kapitel mit sage und schreibe 80 Armeelisten …es gibt sogar noch weiter 10 als Download:
http://nstarmagazine.com/africa_14_1.htm
Aber damit nicht genug, neben den Standartregeln gibt es auch noch einen Teil mit Regeln für eine Großwildjagd. Hinzu kommen für eine Regelwerk recht umfangreiche Infos zu historischen Ereignissen, Personen und Schlachten. Man bekommt also einiges für sein Geld.

Man kann sich auch an die kostenlose „Lite“ Variante halten, die es für Prime – Mitglieder von Wargames Illustrated als PDF-Download gibt oder auch die gedruckte Version, welche der 400. Ausgabe der WI beigelegt wurde.


Armeegröße
Wie schon “The Men who would be Kings” handelt es sich bei “Death In The Dark Continent” um ein Gruppen-Skirmish – System und auch die Anzahl der Einheiten und Figuren hat eine ähnliche Stärke. Man spielt eine Truppe mit rund 300 Punkten, was z.B. 2 bis 3 Einheiten britischer Infanterie mit je 4 Basen entspricht. Es wird also nicht mit einzelnen Figuren, sondern eckigen Multibasen gespielt. Die Anzahl der Figuren pro Base und die Basengrößen sind zwar im Regelwerk vorgegeben, sind aber meiner Ansicht nach nicht entscheidend. Man kann also auch eigene Basengrößen verwenden. Dabei gilt wie immer, dass die Größen für beide Seiten identisch sein sollten. Geführt wird die gesamte Streitmacht von einem Kommandeur oder Anführer, der unterschiedlich Qualtäten haben kann.

Ablauf
Die Regeln sind keine große Innovation und ähneln, zumindest auf den ersten Blick, vielen anderen Systemen. Eine Runde beinhaltet bekannte Elemente, wie bewegen, schießen, Nahkampf und Moral. Allerdings ist das Ganze kein I-go-You-go, sondern jede Phase wird von beiden Spielern durchgeführt, wobei nur die Reihenfolge bei der Bewegung festgelegt ist. Die Bewegungsreichweite wird immer durch einen Würfelwurf ermittelt, der je nach Einheitentyp mit einer unterschiedlichen Anzahl Würfel und einem Modifikator durchgeführt wird. Ungewöhnlich ist der D20, der für die Fernkampfphase eingesetzt wird, während man beim Nahkampf einem herkömmlicher D6 in die Hand nimmt. Aber die Handhabung bei Fernkampf und Nahkampf unterscheidet sich nicht nur durch die Art des Würfels. Während der Fernkampf noch relativ klassisch mit einem Würfel pro Base + Modifikatoren gehandhabt wird, gibt es in der Abwicklung des Nahkampfs nur einen Würfelwurf + Modifikatoren für den Angreifer …mehr nicht. Etwas sperrig finde ich die vielen gelisteten Modifikationen, die aber je nach Nation mehr oder weniger vernachlässigt werden können. Die Regeln lesen sich tatsächlich etwas umständlich und sind deutlich komplexer als “The Men who would be Kings”.

Da es keine Soloregeln gibt, habe ich für ein erstes Testspiel beide Seiten übernommen. Hier das Ergebnis…
Testspiel
Für eine Testspiel habe ich 2 kleine Armeen von je 300 Punkten ausgewählt. Wieder ging es in den Sudan und wieder standen sich Briten und Beja gegenüber. Meine Briten bestanden aus zwei Einheiten Infanterie mit je 4 Basen, einer Gatling Gun und meinem Kommandeur. Die Streitmacht der gegnerischen Beja setzte sich aus 6 Einheiten Kriegern, einer Einheit Schützen und einer Einheit Schützen-Plänkler zusammen. Der Anführer der Beja war Teil einer Kriegereinheit. Alle Beja-Einheiten bestanden zudem aus je 4 Basen. Aus der Liste der vorgegebenen Szenarien habe ich „Surprise Encounter“ gewählt. Bei diesem und den meisten anderen Szenarien wird auch ein „Baggage Train“ verwendet, der bei Verlust Auswirkung auf die Moral der Truppe haben kann. Bei diesem Szenario treffen die Gegner in Marschkolonne aufeinander. Da den Beja „Surprise“ als Zusatz-Regel laut Armeeliste zusteht, haben sich die beiden Schützen-Einheiten versteckt aufgestellt, was durch 5 mögliche Punkte (Bäume als Marker) definiert wurde. Durch Zufall wird dann bei Annäherung ermittelt, wo sich die Beja tatsächlich aufhalten bzw. können die Beja auch die Einheiten selbst aktivieren.

Runde 1 / Runde 2
Die erste Runde ist durch den Vormarsch der Briten und die langsame Auffächerung der Formation sowie dem schnellen Vorrücken der Beja aus der Schlucht heraus geprägt.


Runde 3 / Runde 4
Die Briten gehen in Linienformation über, um ihre volle Feuerkraft einsetzen zu können. Es dauert so insgesamt 4 Runden, bis alle Beja aus der Schlucht geklettert sind und sich außerhalb der Schussweite der Engländer aufgestellt haben.


Runde 5
Die Briten bleiben einfach stehen und erwarten den Frontalangriff der Beja, welcher auch auf kompletter Frontbreite erfolgt. Nun beginnt ein konzentriertes Feuer auf die Beja, wodurch aber nur insgesamt 3 Disorder – Marker entstehen und eine Base vernichtet wird. Die Gatling hat natürlich sofort eine Ladehemmung!


Runde 6
Zwei der Marker können die Beja wieder „sammeln“, ihre Streitmacht ist also nur leicht angeschlagen und schon teilweise in Angriffsreichweite. Aber in dieser Runde schafft keine der Beja-Einheiten in den Nahkampf zu kommen. Die Angreifer sind jedoch nun in effektiver Reichweite der Gewehre und der Gatling, wodurch sofort eine Einheit zum Stehen gebracht und eine zweite auf eine Base reduziert wird. Zusätzlich können 4 weitere Disorder – Marker verursacht werden. Jetzt wird es spannend…


Runde 7
Durch den schweren Beschuss ziehen sich zwei Einheiten der Beja erst einmal zurück, aber der Rest stürmt den Briten entgegen. Jedoch schafft es die Anführer-Einheit der Beja in den Nahkampf zu kommen. Nun tauchen auch die versteckten Schützen aus den Büschen auf, um den Angriff zu unterstützen. Die gesamte linke Flanke der Angreifer wird durch schweren Beschuss dezimiert und komplett zum Stehen gebracht. Allerdings gelingt es einer anderen Beja-Einheit auf der rechten Flanke, in den Rücken der Briten zu gelangen. Im einzigen Nahkampf dieser Runde schaffen die Beja zwar einen kurzen Einbruch in die gegnerischen Reihen und „töten“ eine Base, müssen sich dann aber etwas zurückfallen lassen.

Runde 8
Die Briten können eine weitere gegnerische Einheit durch Beschuss zurückwerfen, aber den Beja gelingt nun auf beiden Flanken der Angriff. Der Nahkampf auf der rechten Flanke ist mühsam und die Briten verlieren erneut eine Base. Hier scheint die Lage aussichtslos für die Verteidiger. Auf der linken Flanke können die Soldaten die wilden Krieger mühelos abwehren. Die Beja müssen sich unter schweren Verlusten zurückziehen. Bisher konnte aber noch keine Einheit vollständig vernichtet werden.


Runde 9
Während auf der rechten Flanke die Schotten überrannt und vollständig vernichtet werden, haben die restlichen britischen Truppen eine solide Verteidigungsformation gebildet. Unterdessen sammeln sich die übrigen Beja-Verbände in den Bergen, wo außerdem weitere Verstärkungen hinzukommen.


Runde 10
Nun geht es Schlag auf Schlag. Die Beja überrennen die Gatling und töten den britischen Kommandeur. Nur noch eine britische Einheit bleibt standhaft, während von allen Seiten der Feind heranrückt.


Runde 11 / Runde 12
Zwei Runden lang gelingt es der letzten britischen Einheit den Gegner auf Distanz zu halten, während sich die Soldaten langsam zurückziehen und feuern. Durch den Beschuss der feindlichen Beja-Schützen verliert die Einheit jedoch eine Base und erhält zwei Disorder-Marker.


Runde 13
Endlich gelingt es einer Einheit der Beja in den Nahkampf zu kommen. Eine weitere Base der Briten wird vernichtet, weitere Disorder-Marker kommen hinzu und schließlich verpatzten die sonst so tapferen Briten ihren Moraltest. Und so fliehen die letzten Soldaten in wilder Panik vom Schlachtfeld. Wieder einmal sind die Beja siegreich.

Fazit
Ebenfalls ein sehr schönes Regelwerk und ein unterhaltsames Spiel. Etwas sperrig sind die Modifikationen bei Nahkampf und Beschuss, aber die zufällige Bewegung macht trotz vieler notwendiger Würfe Sinn. Seltsam bleibt aber der Nahkampf, bei dem große Einheiten keinen Vorteil gegenüber schwächeren Gegnern haben und alles von einem Würfel abhängt. Es funktioniert zwar alles reibungslos, ich würde aber “The Men who would be Kings” vorziehen. Trotzdem würde ich für „Death In The Dark Continent“ eine Kaufempfehlung abgeben, da allein der zusätzlichen Inhalt interessant und auch eine Ergänzung zu anderen Systemen sein kann.