Hoplit und Phalanx – Aspis

Einleitung

Denkt man an die Griechen der Antike, kommen einem zunächst Wörter, wie Demokratie, Kunst und Philosophie in den Sinn. Die alten Griechen waren jedoch auch gefürchtete Kämpfer und entwickelten eine für damalige Verhältnisse perfekte Kriegskunst, welche die gesamte antike Welt und auch spätere Epochen stark beeinflusste.

Oft waren die griechischen Heere ihren Gegnern zahlenmäßig stark unterlegen und trotzdem vermochten sie eine feindliche Übermacht zu besiegen. Wo lag also das Geheimnis dieser Überlegenheit?

Wie bei den meisten Armeen der Weltgeschichte gingen Ausrüstung, Taktik und Organisation auch bei den Griechen Hand in Hand. Das heißt ein Faktor ergänzt den anderen oder ergibt sich aus den Gegebenheiten des einen. Hinzu kamen traditionelle Aspekte und auch Klima und Lebensraum spielten eine Rolle in der Entwicklung von Waffen, Rüstung und Kampftechnik. Es geht in diesem Bericht um die Aufschlüsselung und Analyse dieser Faktoren. Ich betrachte dabei die Zeitraum von 650 v. Chr., dem Beginn des 2. Messenischen Krieges und der Geburtsstunde der Phalanx, bis zum Jahre 362 v. Chr., in welchem die Schlacht von Mantineia ausgefochten wurde.

Zunächst geht es um die Ausrüstung des Hopliten, die bei den Griechen panoplia genannt wurde. Dieses Wort setzt sich aus dem Begriff pan (Alles) und hoplia (Rüstung/Waffe) zusammen.

Schild

Nachdem ich etwas tiefer in das Thema eingestiegen bin, überraschte es mich, dass nicht Schwert und Lanze, die typischen Waffen des Hopliten, sondern der Schild die zentrale Rolle in der Ausrüstung eines Hopliten spielte. Erstaunlich ist auch, dass sich der Schild als einziger Ausrüstungsgegenstand des Hopliten über 3. Jahrhunderte nicht verändert hat. Der Schild wird in vielen Abhandlungen hoplon genannt, diese Bezeichnung wurde jedoch von den alten Griechen kaum verwendet. Bei ihnen hieß der Hoplitenschild aspis. Das wird auch durch Wortschöpfungen, wie ripsaspis (wird noch heute als griechisches Wort für Deserteur verwendet und bedeutet soviel wie, „derjenige, der sein Schild wegwirft“) und hypaspistae (die Bezeichnung für einen Schildträger eines Hopliten) belegt. Es wird daher vermutet, dass das Wort hoplit nicht vom Singular hoplon, sondern von Plural hoplia (Bewaffnung) abgeleitet wurde. Umstritten ist, ob der aspis schon vor der Phalanx eingesetzt wurde oder sich erst durch die Phalanx entwickelt hat.

Konstruktion

Zunächst will ich die Konstruktion des Schildes erläutern. Der aspis bestand im Wesendlichen aus Holz. Mehrere 20 bis 30 cm breite Eichenbretter wurden gehärtet und zu einem Block verleimt. Die Eichenbretter waren in der Mitte nur 0,5 cm Dick! Dieser Block wurde nun vorsichtig in einer Drehbank gebogen, bis er die Form einer Schüssel annahm. Die Schüssel hatte jetzt einen Durchmesser von 80 bis 100 cm und eine Tiefe von rund 10 cm. Die Kante des Schüssel bildete einen ebnen Ring von 4,5 cm Breite, der noch durch anbringen von kleinen Holzsegmenten verstärkt wurde und auch als Auflagefläche für die Bronzeverkleidung diente. Einige Quellen erwähnen auch die Verwendung von Weiden- oder Pappelholz, anstatt der Eiche. Da die beiden erstgenannten Bäume oft in der Nähe von Gewässern wachsen, soll ihr Holz besonders gut für Schilde geeignet sein, da sich ihr Holz zusammenzieht und so kleine Beschädigungen in der Oberfläche wieder schließt.

An der Innenseite der nackten Holzbeplankung wurde eine zusammengenähte Lederschicht geklebt, welche das Holz vor Witterungseinflüssen schützen sollte. Auf der Schildinnenseite brachte man nun die Handgriffe an. In der Schildmitte eine Bronzearmschlaufe, die aus drei Teilen bestand. Rechts und links davon wurde am äußeren Rand je zwei Bronzebügel montiert. Ober- und unterhalb der Schlaufe waren außerdem je zwei Metallringe angebracht. Alle Metallteile wurden mit Nägeln befestigt, die durch das Holz getrieben und an der Oberseite des Schildes umgebogen und flach gehämmert wurden. Anschließend wurden die Bügel und Ringe kreisförmig mit einem Seil oder Lederband verbunden. Zu guter Letzt überzog man die Außenseite mit einer nur 0,5 mm dicken Bronzeschicht, die um 4 cm über die Außenkante des Schildes nach innen getrieben wurde. Ein Rätsel für die heutige Wissenschaft, da weder Falten, noch Risse oder Überlappungen im Metall zu sehen sind. Der fertige Schild wiegt jetzt 7 bis 9 Kilogramm. Es gab natürlich auch noch andere Varianten. So waren die frühen Schilde noch nicht vollständig mit Bronze überzogen. Sie hatten nur an der Außenkante eine Bronzeverstärkung und waren mit Leder bespannt oder auch nur bemalt. All diese „Verkleidungen“ dienten als Schutzschicht für das darunter liegende Holz. Das umlaufende Seil konnte auch durch einen einfachen Metallgriff an der Außenseite ersetzt werden. Einige Schilde waren innen mit einer L-förmigen Bronzeschicht verkleidet, um so den Schildarm zusätzlich zu schützen.

Funktion

Die Funktion des ringförmig angebrachten Seiles ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt einige Abbildungen, in denen des Hoplit oder sein hypaspistae den Schild mit Hilfe des Seiles, ähnlich wie bei einem Rucksack, auf dem Rücken tragen. Sieht man sich die Schildrückseite genauer an, so könnte man auf Grund der Montage auch vermuten, dass es dem Träger so gestattete den Schild sowohl rechts, als auch links zu führen. Es gibt auch tatsächlich einige Vasenabbildungen, die Hopliten zeigen, welche ihr Schild mit der rechten Hand tragen, und nicht mit der linken, wie allgemein üblich.  Es stellt sich ihr allerdings die Frage, wozu und wann der Krieger den Schildarm wechseln sollte und vor allem, wie das in einer geschlossenen Kampfformation vonstatten gehen soll. Natürlich gab es auch in der Antike Linkshänder. Es wird aber allgemein angenommen, dass diese darauf trainiert wurden, wie Rechtshänder zu kämpfen.

 Was war aber nun so außergewöhnlich an dieser Konstruktion? Runde Schilde gab es auch in anderen Kulturkreisen und das vor, während und nach der Epoche der Hopliten. In meiner favorisierten Theorie liegt das Geheimnis in der Anbringung der Haltegriffe. Fast alle früheren und späteren Schilde hatten einen einzigen zentralen Griff, der es dem Träger erlaubte, den Schild in fast jeder erdenklichen Position vor dem Körper zu halten. Der aspis hatte jedoch zwei Halterungen. Eine Armschlaufe (porpax) im Zentrum des Schildes, in die der Arm bis zum Ellenbogen geschoben wurde einen Griff (antilabe) oder eine Seil an der Außenkante für die Hand, wodurch verhindert wurde, dass der Arm aus der Schlaufe rutschte. Durch die zwei Haltepunkte wurde das beträchtliche Gewicht des Schildes gleichmäßig auf den ganzen Unterarm verteilt. Wesentlich aber war, dass der aspis vor dem Träger, im Gegensatz zu den Schilden mit zentralem Haltegriff, eine völlig andere Position hatte. Der Schild ragte nämlich jetzt fast bis zur Hälfte über die linke Körperseite hinaus. Sinn und Zweck dieser Schildposition war, den linken Nebenmann in der Phalanx zu decken. Außerdem hatte der Hoplit auf der rechten Körperseite jetzt auch mehr Spielraum für seinen Speer.

 Warum war der Schild eigentlich rund? Auch ein quadratischer Schild würde doch in gleicher Weise funktionieren! Hier komme ich nun zur zweiten Theorie. Der apsis ist rund, weil er konkav war, denn etwas, dass konkav ist muss zwangsläufig kreisrund sein. Die Vorteile dieser Schüsselform waren vielfältig. Die starke Wölbung verlieh dem recht dünnen aspis eine wesentlich größere Stabilität und ließ außerdem Lanzenstöße und Schwerthiebe leichter an den Seiten abgleiten. Wurfgeschossen konnte er aber trotz der stabilen Konstruktion nicht standhalten. Es gibt eine ganze Reihe von Vasenmalereien, auf denen mit Pfeilen gespickte Schilde zu sehen sind. Natürlich hätte man den Schild auch wesendlich stärker herstellen können, aber dann hätte der Hoplit das Gewicht nicht mehr bewältigen können. Normalerweise ist es für den Träger sehr ermüdend einen Schild mit doppeltem Tragegriff zu halten, da hierbei der Schildarm ständig angewinkelt sein muss. Die Schüsselform hatte aber auch den Vorteil, dass der Träger die Oberkante auf seine linke Schulter legen konnte, so wurde der Schildarm noch zusätzlich entlastet. Hopliten, die weiter hinten in der Phalanx standen drücken im Kampf mit dem Schild gegen den Vordermann, auch so wurde wieder ein großer Teil des Gewichtes vom Arm genommen. Durch die Kombination von Schildwölbung und Trageweise lag der Schwerpunkt genau im Zentrum des Schildes. Das ist ausgesprochen wichtig, denn nur so konnte des aspis vertikal vor dem Träger gehalten werden. Bei einem Flachen Schild mit gleicher Trageweise, würde der obere Schildrand sich immer zum Träger weg neigen.

 Während der Zeit der Perserkriege wurden zum Teil am unteren Rand des Schildes Lederschürzen (parablemata) angebracht, welche die Beine vor Pfeilen und Wurfspeeren schützen sollte. Es könnte sich aber auch um einen Weiterentwicklung in Bezug auf die Beinschienen gehandelt haben, denn diese dürften sich wohl oft im Kampfgetümmel gelöst haben, da sie weder von Riemen noch sonstigen Verschnürungen gehalten wurden.

Schildembleme

Besonders auffällig waren die furchterregenden Schildbemalungen, für die es gleich eine ganze Reihe von Erklärungen gibt. Zunächst einmal sollten sie den Gegner wohl einschüchtern, was mit Motiven wie dem Gorgonenhaupt oder anderen Fabelwesen erfolgte. Andere Motive sollten die Eigenschaften seines Trägers unterstreichen, so war ein Anker das Zeichen für einen besonders Standhaften Recken. Auch Götter wurden auf der Schildoberfläche verewigt, um sich ihrer Gunst zu versichern. Eine Theorie geht davon aus, dass die Schildbemalung es den Hopliten erleichtern sollte, sich gegenseitig zu erkennen. Durch den Helm, den der Hoplit trug, war sein Gesicht fast vollständig verdeckt. Es ist also durchaus denkbar, dass die Benmalung, wie auch im Mittelalter, als Erkennungszeichen diente. Der Hoplit konnte sein Schildemblem selbst wählen. Erst Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. entwickelte sich innerhalb der einzelnen Stadtstaaten eine einheitliche Schildbemalung. So wurde der griechische Buchstabe L (lambda) der Erkennungszeichen für Sparta. Der Buchstabe stand für Lakedaimon, womit der gesamte Staat und nicht nur die Stadt Sparta bezeichnet wurde. Die Stadt Theben und ihre Verbündeten verwendeten die Keule des Herakles als Emblem. Für die polis Athen ist belegt das hier ein Schildmotiv über mehrere Generationen in einer Familie oder Sippe Verwendung fand. Man kann also von einer Art Familienwappen sprechen. Die letzte Erklärung ist eher praktischer Natur. Ein Hoplitenheer auf dem Marsch lagerte natürlich bei längern Kampagnen des Öfteren. Um bei Aufbruch oder bei einem überraschenden Angriff sein Schild sofort zu finden, wurde der aspis gekennzeichnet. Hieraus soll sich dann die Bemalung der Schildoberfläche entwickelt haben. Vielleicht war die Schildbemalung aber auch nur ein Relikt aus den archaischen Zeiten, in welchen der Einzelkämpfer im Vordergrund stand. Ein Versuch, sich aus er Uniformität der Phalanx abzuheben, denn wenn man nicht durch eine Einzelleistung auf sich aufmerksam machen konnte, dann vielleicht durch Optik.

Aspis und Phalanx

Nun aber zurück zu Thema Haltegriffe, dem, meiner Meinung nach, Kernstück des Hoplitenschildes. Wie ich aufgezeigt habe, ragt also der Schild ein ganzes Stück über den eigenen Körper hinaus und bedeckt so teilweise den Nebenmann in der Phalanxformation. Doch wo liegt hier der Vorteil? Wäre es nicht besser mit dem zentralen Haltegriff nur den eigenen Körper zu schützen und würde eine Phalanx als Formation nicht auch so funktionieren? Die Antwortet ist ein klares ja. Andere Kulturen haben genau solche Formationen entwickelt. Es ist also zu vermuten, dass hinter dieser Trageweise etwas anderes steckt, als die reine Schutzfunktion des Trägers.

Der aspis ist ein recht guter Schutz, wenn man mit mehreren Hopliten zusammen in einer Linienformation wie der Phalanx steht. Kommt es allerdings zu Einzelkämpfen, dann ist der aspis so gut wie nutzlos. Im Kampf gegen einen Feind, der ein Schild mit zentralem Griff trägt, wäre der Hoplit immer unterlegen. Die rechte Körperhälfte wäre total entblößt und durch die Trageweise kann der Schild nur nah am Körper gehalten werden. Der Schild mit zentralem Griff kann durch einen ausgestreckten Arm einen größeren Bereich des Körpers abdecken und dem Gegner zusätzlich die Sicht nehmen oder ihm mit dem Schild bedrängen. Diese Argumente zeigen, dass der aspis nur sinnvoll in einer Linienformation verwendet werden konnte und sollte so vermutlich verhindern, dass ein Hoplit die Formation der Phalanx verließ. Um diesem Umstand näher zu erklären, muss ich ein paar Dinge zum Thema Organisation einfügen.

Der Hoplit war kein Berufssoldat, sondern Bürger eines Stadtstaates mit so profanen Berufen, wie Schmied, Bauer, Bäcker oder Philosoph (mal von den Bürger Spartas nach dem 6. Jahrhundert v. Chr. abgesehen). Zum Hopliten wurde er nur durch seine militärische Ausrüstung, die er zum Teil selbst zu stellen hatte. Um einen Gegner mit einer Formation, wie der Phalanx bezwingen zu können, war es unbedingt notwendig, dass man seine Formation aufrecht erhielt und nicht vor dem anstürmenden Gegner zurückwich. Eine Auflösung der Phalanx auf dem Schlachtfeld, war gleichbedeutend mit ihrer Niederlage. Einer musste sich also auf den anderen verlassen können und das funktionierte natürlich noch besser, wenn man gezwungen war neben seinen Mitstreitern auszuharren. Wie aufgezeigt, war es ja nahezu selbstmörderisch sich aus der Linie der Phalanx zu entfernen.

Der Schild hatte auch in der Gesellschaft einen hohen symbolischen Wert. So warnt die Mutter eines Hopliten aus Sparta ihren Sohn: „komme nur zurück mit deinem Schild oder auf ihm liegend“ (die toten Hopliten wurden auf ihrem Schild liegend in die Stadt getragen). Ein Hoplit, der lebend ohne sein Schild heimkehrte, konnte dieses nur bei einer Flucht vor dem Feind zurückgelassen haben (es war beim laufen sehr hinderlich) und das bedeutete ewige Schande für den Krieger und seine Familie. Er war nicht nur vom Feind geflohen, schlimmer, er hatte seinen Nebenmann in der Phalanx ungeschützt zurückgelassen.

Wie schon erwähnt, gibt es noch keine Klarheit darüber, ob nun aspis oder Phalanx als erstes Einzug in die griechische Militärgeschichte hielt. Von einigen Autoren wird angemerkt, dass es meist eine neue Waffentechnik (oder Schutzwaffe) war, die auch neue Taktiken erforderte. Allerdings widerspricht es in diesem Fall jeder Logik, da der aspis ohne die Formation der Phalanx ein sehr unzureichender Schutz war. Die Entwicklung des aspis vollzog sich also mit ziemlicher Sicherheit nach Einführung der Phalanx.

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