Die deutsche Emin-Pascha Expedition

Nach dem Fall von Karthoum im Jahr 1885 und dem Tod des General-Gouverneurs Gordon Pascha beherrschen der Mahdi und seine Anhänger faktisch sämtliche Provinzen des Sudan. Es gab jedoch eine Ausnahme, die südlichste und relativ unzulängliche Provinz Äquatoria wurde noch von den Truppen des osmanischen Reiches und ihrem Gouverneur Emin Pascha gehalten. Zunächst schien es so, als ob man Emin Pascha, der eigentlich Deutscher war und Eduard Schnitzer hieß, und seine Provinz vergessen hätte. Doch zur gleichen Zeit begann der Endspurt beim Wettlauf der europäischen Nationen, der die vollständige Aufteilung und Eroberung des afrikanischen Kontinents zum Ziel hatte. Äquatoria und die umliegenden Gebiete waren einige der letzten Regionen, die sich noch nicht unter europäische Kontrolle befanden. Zudem lag das Territorium im Zentrum von Afrika und bildete somit eine Schlüsselstellung und Verbindung zu den bereits etablierten Kolonialgebieten.

Emin Pascha

Die europäische Bevölkerung und Presse forderten zudem eine Wiedergutmachung für die schändliche Niederlage im Sudan und den Tod von Gordon. Natürlich fanden sich aufgrund dieser Fakten schon nach kurzer Zeit eine ganze Reihe von Abenteurern, Geschäftsleuten und Politikern, die bereit waren Geld und Zeit zu investieren, um Emin Pascha zu retten und nebenbei ein neues Kolonialgebiet zu kassieren. So bahnte sich schon bald eine britische Expedition, die 1887 in London aufgebrochen war, unter der Führung von Henry Morton Stanley auf der Suche nach Emin Pascha einen Weg durch den Regenwald des Kongo. Doch auch die Bevölkerung des neuen deutschen Kaiserreiches rief nach einem Retter, der bereit war, ihren Landsmann in Äquatoria zu Hilfe zu eilen. Und der Ruf wurde gehört…

Carl Peters

In einem kleinen Städtchen an der Elbe, dem Ort Neuhaus, wird im Jahr 1856 der Pastorenfamilie Peters ein Sohn geboren, der den Namen Carl erhält. 30 Jahre später soll aus ihm ein in Deutschland gefeierten Kolonial-Held und Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika werden. Wer heute seine Schriften und Aufzeichnungen liest, erkennt jedoch schnell einen sehr überheblichen und sich selbst überschätzenden Mann. Carl Peters ist, wie viele Menschen des späten 19. Jahrhunderts, ein überzeugter Nationalist und Rassist, der aber vor allem durch seine Brutalität und Rücksichtslosigkeit, nicht umsonst erhält er den Spitznamen Hänge-Peters, schon zu Lebzeiten als ein sehr unangenehmer Zeitgenosse wahrgenommen wird. Eine Lehrerbeurteilung seiner Schulzeit spricht Bände: „Zu wünschen ist ihm, dass sein Glaube, ein Genie zu sein, recht bald erschüttert wird“.

Carl Peters

Die Jugend von Carl Peters wird natürlich auch von den deutschen Einigungskriegen und dem neuen deutschem Kaiserreich sowie der beginnenden Industrialisierung geprägt. Beim Militär wird er wegen seiner Kurzsichtigkeit abgelehnt. Stattdessen schreibt er sich als Student der Geschichte und Philosophie ein und schließt sich einer schlagenden Verbindung an. Nach seinem Studium geht es 1881 zu seinem Onkel nach London, wo er die Kolonialpolitik Großbritanniens und den daraus resultierenden Wohlstand des Landes aus nächster Nähe kennenlernt. Er ist beeindruckt, auch ein wenig neidisch und wünscht sich für Deutschland ein ähnliches Vorgehen. So kommt es, dass er bei seiner Rückkehr in die Heimat zu einem der stärksten Verfechter für einen „Platz an der Sonne“ für Deutschland wird. 1884 gründet Peters die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ (GfdK). Schon bald reist er in Begleitung von Freunden, angeregt durch die Schilderungen Stanleys in seinem Buch „Through the Dark Continent“, nach Ostafrika.

In Ostafrika

Die Gruppe reist heimlich und versucht ihre wahre Identität sowie den Zweck ihre Expedition zu verschleiern. Ihre Vorbereitungen sind jedoch ebenso laienhaft, wie ihre Verstellungsversuche und so weiß bald jeder in Sansibar, wer die Deutschen sind. Zu diesem Zeitpunkt hat die deutsche Regierung nur eine ungefähre Ahnung vom Vorgehen Carl Peters und Reichkanzler Bismarck glaubt noch nicht an die Notwendigkeit von deutschen Kolonien. Trotzdem bemüht sich Bismarck zur selben Zeit im Rahmen der sogenannten „Kongo-Konferenz“ im Jahr 1884 in Berlin um die Handelsfreiheit Deutschlands in Afrika. Peters wird in Sansibar vom deutschen Konsul vorgeladen, der ihn klar macht, dass er auf eigene Gefahr und Verantwortung reist und nicht mit Hilfe und Schutz des deutschen Reiches rechnen kann.

Mit einer kleinen Karawane von 40 Träger und seinen Begleitern Karl Ludwig Jühlke, Graf Joachim von Pfeil sowie August Otto begibt sich Peters von Sansibar aus in das Hinterland der ostafrikanischen Küstenregion und bietet dort Dorfältesten und Häuptlingen Schutzverträge an, die er mit billigen Handelswaren und viel Alkohol erschwindelt oder einfach mit Gewalt erzwingt. Nach fünf Wochen kehrt die Expedition an die Küste zurück, im Gepäck Verträge, die Anspruch auf ein Gebiet der Größe Süddeutschlands enthalten. Die sehr schlecht organisierte Expedition hat Peters und seine Begleiter jedoch schwer mitgenommen. Peters erreicht die Küste mehr tot als lebendig und ist, wie auch sein völlig entkräfteter Freund Jühlke, von Krankheit, Fieber und Verletzungen schwer gezeichnet. Seine ebenfalls erkrankten Begleiter von Pfeil und Otto hatten die beiden in einem Stall im Landesinnern zurückgelassen. Hier stirbt Otto und von Pfeil wird nur durch Zufall von einem französischen Missionar gerettet und zur Küste gebracht.

Carl Peters

Kurz nach der Rückkehr Peters nach Berlin, ändert Bismarck seine Haltung und spricht sich für den Schutz deutscher Gebiete in Übersee aus. Es sollen zwar keine Kolonien gebildet werden, die deutschen Handelsgesellschaften in Asien und Afrika erhalten jedoch Schutzbriefe und so im Notfall die Unterstützung des deutschen Reiches. Im Februar 1885 erhält auch Carl Peters für seine „Erwerbungen“ in Ostafrika einen solchen Schutzbrief. Im Februar 1887 bildet sich die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ (DOAG) mit Carl Peters als erstem Präsidenten. Doch die DOAG steck schon bald nach einer anfänglichen Euphorie in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Nur durch die Hilfe Bismarcks, der um einen Image-Verlust seiner Kolonialpolitik fürchtet, kann ein Bankrott der Gesellschaft abgewendet werden. Als nun noch der Sultan von Sansibar gegen die Siedlungspolitik der Deutschen in Ostafrika vorgehen will, laufen am 7. August 1885 fünf deutsche Kriegsschiffe in die Bucht von Sansibar ein. Durch ihre bedrohliche Präsenz muss der Sultan einlenken und ist schließlich zu Verhandlungen bereit. Diese finden auch statt, allerdings nur unter Teilnahme von Deutschen und Engländern, die Ostafrika unter sich aufteilen und den Grenzverlauf festlegen. Nur einige Gebiete im Landesinneren, Buganda, Bunyoro und Äquatoria gehören nicht dazu und bieten so Raum für eine weitere Ausdehnung der europäischen Nationen in Afrika. Der Sultan von Sansibar erhält zumindest einen 15 Kilometer breiten Streifen entlang der gesamte Küste Ostafrikas, was den deutschen Gebieten im Landesinneren einen freien Zugang zur Küste verwehrt. Peters versucht dieses Dilemma mal wieder mit Gewalt zu lösen. Er dringt in die Hafenstadt Dar es Salaam ein und zwingt den dortigen Gouverneur mit der Pistole am Kopf den Hafen und das umliegende Gebiet der DOAG zu unterstellen. Das Ganze fliegt auf und Peters muss den „Vertrag“ wieder annullieren. Nachdem das Sultanat Sansibar nun auch noch einen Pachtvertrag mit den Briten über den Küstenstreifen aushandelt, wird der diplomatisch unfähige Peters nach Berlin zurückbeordert und durch einen anderen Mann ersetzt. Bei seiner Rückreise hört Peters von der Lage Emin Paschas in Äquatoria und fasst den Entschluss selbst eine Expedition zu seiner Rettung zu führen. Eine gute Gelegenheit für ihn, um sich wieder ins Rennen im Wettlauf um Afrika zu bringen.

Die Expedition

Zusammen mit den bekannten Forschern Georg Schweinfurth und Hermann Wissmann wird die Expedition in Berlin geplant und auch heimlich deren eigentliche Ziele, die Besetzung der Provinz Äquatoria und eine Handelsroute von dort zur Ostküste einzurichten, festgelegt. Man hatte außerdem von einem großen Elfenbeinschatz gehört, den Emin gehortet haben soll und mit dem man die Kosten der Expedition decken will. Der Plan sah zunächst vor, dass Peters und Wissmann die Expedition gemeinsam leiten sollten. Wissmann wollte mit einer kleinen und schnellen Truppe die Vorhut bilden, während Peters die restliche Mannschaft sowie den Nachschub führen sollte. Die erhoffte Unterstützung durch die deutsche Regierung blieb aus, da Bismarck es sich nicht mit den Engländern verscherzen wollte. Auch mit Peters als einem der Führer der Expedition ist der Reichskanzler unzufrieden. Peters, wie immer großspurig, lässt unter vorgehaltener Hand verlauten, dass er dann wohl selbst ein Herrschaftsgebiet vor Ort errichten werde, da die Einheimischen ohnehin eher ihn, als das Deutsche Reich verehren. Doch noch bevor die Expedition aufbrechen kann, kommt es unter der Führung von Bushiri bin Salim al -Hasthi zu einem Aufstand in den deutschen Gebieten Ostafrikas. Da die DOAG vor Ort nicht über Truppen verfügt, muss die deutsche Regierung handeln und bildet eine Schutztruppe unter dem Kommando von Herrmann Wissmann, der somit als Führer der Emin-Pascha-Expedition ausfiel. Nun war der Weg frei für Peters, um sich allein und auf eigene Rechnung auf den Weg zu machen.

Landung in Ostafrika

Am 31. März 1889 landet Peters mit seinen Begleitern, Kapitänleutnant Rusk und Oskar Borchert, später stößt noch Adolf von Tiedemann dazu, in Sansibar. Es versteht sich von selbst, dass jeder seiner Schritte von den anderen europäischen Nationen, allen voran Großbritannien, überwacht wird. Sie verfolgen schließlich eigenen Pläne mit Äquatoria und sehen diese gefährdet. Die Briten und auch die deutsche Regierung, die immer darauf bedacht ist, die Briten nicht zu verärgern, versuchen nun Peters ein Hindernis nach dem anderen in den Weg zu legen. Zunächst werden ihm und seinen Männern verwehrt an der Ostküste von Afrika an Land zu gehen, dann beschlagnahmt man seine Waffen, schließlich verbietet der Sultan von Sansibar Peters in seiner Stadt Träger anzuwerben. Die einzige Möglichkeit für Peters besteht darin, sich einen eignen Dampfer zu mieten und so den Ort der Landung selbst bestimmen zu können. So kann er auch Träger von weiter entfernten Orten anwerben. Durch die hohen Kosten für den Dampfer muss er die Größe der Expedition jedoch drastisch reduzieren.

Adolf von Tiedemann

Die Truppe

Statt den geplanten 600 Trägern und 100 Soldaten sind es am Ende nur 21 Soldaten und 85 Träger. Doch die Waffen sind weiterhin ein Problem, denn die Aushändigung und Lieferung von neuen Waffen durch das Deutsche Reich wird ihm verweigert. Erst mit Hilfe von Wissmann erhält er 100 Vorderlader, 50 Hinterlader sowie einige Repetiergewehre und Munition. Mit Hilfe seines Dampfers gelingt es Peters schließlich mit seiner Expedition die Blockade von britischen Kriegsschiffen zu durchbrechen und bei Kwaihu, in der Nähe des deutschen Protektorates Witu an Land zu gehen. Doch als die Landungsboote ein zweites Mal Ladung vom Dampfer an die Küste bringen wollen, entdeckt die britische Marine das Vorhaben und kann das Schiff und sämtliche Tauschwaren beschlagnahmen. Peters verliert dabei auch noch zwei seiner deutschen Begleiter, einer wird krank einer bleibt auf dem Schiff zurück, und ihm gelingt es nicht weitere Träger und Tauschwaren zu erwerben. Die Expedition schrumpft also erneut und die Ausrüstung ist äußerst mangelhaft. Dennoch gibt Peters nicht auf, sondern beschließt aufzubrechen und sich aufgrund der fehlenden Tauschwaren notfalls den Weg freizukämpfen.

Peters und seine Askaris

Tiedemann und Peters scheinen während der Reise die Kleidung und Ausrüstung getragen zu haben, die man häufig mit deutschen Offizieren der Kolonialzeit verbindet. Tropenhelm, Jacke und Hose aus weißem Leinen, mit hohen Stiefeln und schwarzem Lederzeug. In Abbildungen sieht man die beiden jedoch auch in Khaki. Sie tragen ein ganzes Waffenarsenal mit sich herum, wozu ein Doppel-Express Büchse mit Mauserpatronen Kaliber 500, ein Lancaster Repetiergewehr, eine doppelläufige Schrotflinte und sechsläufiger Revolver gehörten. Die somalischen Askaris tragen eine Art Uniform, die auch so von den Truppen der DOAG verwendet wurde. Dazu gehörten ein roter Fez und ein weißes Hemd mit einem rechteckigen Band in Rot, Weiß und Schwarz, den Farben des Deutschen Reiches, über den Schultern. In den erhaltenen Illustrationen tragen die Askaris weiße, aber auch graue oder khakifarbene Hosen. Bei neun Repetiergewehren der Somali handelt es sich um das deutsche Modell 71/84, hinzu kamen 2.000 Patronen, der Rest war mit Hinterladern, die Träger mit robusten Vorderladern ausgerüstet. Außerdem wurde auch noch ein Büchsengeschütz mit 100 Kartätschen und 100 Granaten sowie 600 Pfund Schießpulver mitgeführt.

Peters im Zeltlager

Am Fluss Tana

Nachdem die Truppe einige Lasttiere zum Ausgleich für die fehlenden Träger aufgetrieben hat, beginnt schließlich die Reise von Witu stromaufwärts und entlang den Ufern des Flusses Tana, dem größten Strom Ostafrikas, der in einem weiten Bogen ins Landesinnere führt. Die Expedition wird in zwei Gruppen geteilt. Peters kommandiert die Vorhut, während Leutnant Rust die Ausrüstung mit Booten auf dem Fluss transportiert.

Auf dem Fluss Tana

Das Hauptproblem der ersten Wochen ist nicht das unwegsame Gelände, sondern der Mangel an Nahrungsmitteln. Es herrscht eine Hungersnot im Landesinneren und so ist es meist nur mit Gewalt möglich, die Vorräte immer wieder aufzufüllen. Zudem kommt es in der Gruppe immer wieder zu Diebstählen, Gewalttätigkeiten und Desertationen, die Peters mit der Pistole und Peitsche in der Hand bestraft. Im Siedlungsgebiet der Gallas kommt es zu einer ersten großen Auseinandersetzung. Peters vermutet einen Angriff auf seine Lager und will mit einem Gegenschlag auf das Dorf der Einheimischen diesem Vorhaben zuvorkommen. Er tötet einige der Bewohner und kann große Menge an Getreide erbeuten.

Kampf mit den Gallas

Und so zieht Peters mit seiner Expedition plündert durchs Land bis sie die Laikipia-Hochebene erreichen. Hier am Rande des schneebedecktem Mount Kenia wird das Klima deutlich kühler. Die hier lebenden Kikuyu dienen ihnen als Führer durch einen dichten Urwald, aber als sie den Dschungel hinters sich lassen, verschwinden die meisten Führer, denn sie haben das Land der legendären Massai betreten.

Mount Kenia

Im Land der Massai

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Expeditionen das Gebiet der Massai gemieden, da dieses kriegerische Volk jegliche Durchquerung mit Gewalt verhinderte, wenn nicht vorab ein hoher Tribut, hongo genannt, an sie entrichtet worden war. Da Peters bei der Landung in Ostafrika sämtliche Tauschwaren eingebüßt hatte, blieb nur der Kampf, aber damit auch die Gelegenheit die Auszeichnung zu erwerben, als erster die Massai besiegt zu haben. Zunächst haben sie nur mit den ungewöhnlichen kalten Temperaturen zu kämpfen, die in den Morgenstunden bis unter den Gefrierpunkt fallen. Die erste Begegnung mit den Massai verläuft zunächst freundlich, aber als Peters den wilden Mann spielt, anscheinend wollte er einen Konflikt provozieren, und klar wird, dass er keinen nennenswerten Tribut anbieten kann, ziehen die Krieger wortlos ab. Von einem der Kikuyu erfahren die Deutschen, dass dies Krieg bedeutet. Doch Peters entschließt sich, nicht auf einen Angriff zu warten, sondern, wie schon bei den Galla, die Initiative zu ergreifen und als erster zuzuschlagen.

Peters provoziert die Massai

Kampf bei Elbejet

Der Angriff erfolgte auf den Kraal bei Elbejet. Am Fuße des Hügels, in einem kleinen Wäldchen, sammelte sich Peters, Tiedemann sowie 35 bewaffnete Askaris und Träger. In einer langen Reihe rückten sie auf das Dorf vor. Peters kommandierte den rechten Flügel, sein somalischer Anführer Hussein Fara das Zentrum und Tiedemann den linken Flügel. Der Vormarsch auf das Dorf fand früh am Morgen eines kalten Tages statt, so dass die meisten Massai noch schliefen. Mit der Fahne des Deutschen Reiches vor der Front der Männer, erreichte die Truppe den Rand des Hügels.

Kampf um Elbejet

Nur ein einzelner Posten bewachte das Dorf und die Herde. Er rief Peters und seine Männer zu, sie mögen um das Dorf herumgehen, um die Tiere nicht zu beunruhigen. Mit einem Angriff rechneten die Massai selbst jetzt noch nicht. Statt eine Antwort zu geben, wurde der Krieger erschossen. Durch das Gewehrfeuer war das Dorf augenblicklich erwacht. Während die Frauen und Kinder aus dem Dorf flohen, machten sich die Krieger für einen Gegenangriff bereit. Doch der Kampf war nur von kurzer Dauer und nachdem der Dorfälteste und 6 weitere Krieger getötet worden waren, zogen sich auch die Massai-Männer zurück. Peters hatte das Dorf und 2.000 Stück Vieh im Handstreich erobert.

Doch die Massai waren nicht geflohen, sondern hatten sich außerhalb des Dorfes gesammelt und dann die Nachhut mit den kaum bewaffneten Trägern angegriffen. Diese konnten den Ansturm der Massai nur mit viel Mühe zurückwerfen. Bei den Kämpfen gerieten Peters und Tiedemann häufig in Speerstoßweite der Massai und konnten jedes Mal nur um Haaresbreite von ihren Askaris gerettet werden. Peters kann seine Truppe wieder sammeln und zieht mit ihnen und der Ausrüstung in den noch immer verlassenen Kraal. Am Dorfrand finden sie insgesamt 43 tote Massai und Peters vermutet, dass bei den Kämpfen wohl insgesamt 150 Krieger getötet wurden. Sie schlugen den Massai die Köpfe ab und warfen diese den Hügel herunter. Schließlich zündet man auch noch das Dorf an und die Expedition setzt sich in Richtung Nordwesten in Bewegung.

Peters lässt Hütten anzünden

Die Kolonne, mit dem Vieh im Schlepptau, bewegt sich nur schwerfällig durch die Landschaft, immer auf der Suche nach Wasser und einem Hügel für das Nachtlager. Natürlich wissen sie, dass die Massai sie verfolgen werden. Peters setzt deshalb auf die Strategie der verbrannten Erde. Dörfer werden in Brand gesetzt, das Vieh abgeschlachtet und die Ausrüstung, die sie zurücklassen müssen, zerstört. Am Tag nach dem Kampf bei Elbejet tauchen die Massai Krieger wieder auf. In großen Gruppen ziehen sie um das Lager der Expedition. Immer wieder lauern kleine Krieger-Gruppen den mittlerweile völlig erschöpften Männern der Expedition auf.

Am folgenden Tag werden sie kurz vor einem massiven Angriff wie durch ein Wunder gerettet. Gerade als Peters und seinen Männern langsam die Munition ausging, allein seine mit Repetiergewehren bewaffneten Askaris hatte zu diesem Zeitpunkt 900 Schuss abgegeben, setzte eine Sonnenfinsternis ein. Die Massai glaubten an Zauberei und göttliche Zeichen und zogen sich schleunigst zurück. Doch sie sind am nächsten Tag zurück. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, vier Nächte hintereinander muss Peters immer einen Teil der Männer in Bereitschaft und unter Waffen halten. Am Weihnachtsabend des 24. Dezember kommt es erneut zu einem großen Angriff auf das Lager. Peters lässt Signalraketen abfeuern, damit seine Askaris im Schein der Leuchtkugeln ein gezieltes Feuer abgeben können. So geling es auch diesen Angriff zurückzuschlagen. Schließlich verschwinden die Massai und die Gefahr scheint gebannt.

Kämpfe an Heiligabend

Nach den Kämpfen bemerkte die erschöpfte Expedition jedoch, dass die Wasservorräte langsam zur Neige gingen. Hinzu kam, dass in dieser trockenen Region kein Wasser zu finden war. Es gab also ein schwerwiegendes, neues Problem. Wie aus dem Nichts tauchten dann plötzlich die Massai erneut auf. Sie griffen jedoch nicht an, sondern traten ihnen mit einem Grasbüschel in der Hand entgegen. Ein Zeichen des Friedens. Am Abend setzen sich Peters und einige Massai-Krieger zusammen und trafen eine Übereinkunft. Peters würden seine Kampfhandlungen einstellen und Massai würden die Expedition zum nächsten großen Gewässer, den Baringosee führen.

Ein Friedensangebot?

Doch die Führung der Massai endet nicht an einer erhofften Wasserstelle, sondern in einem Hinterhalt. Sie hatten die Expedition in ein unwegsames Gelände geführt, wo die Massai sich im Kampf gegen die Gewehre eine bessere Chance ausgerechnet hatten. Bedroht durch Durst und Kampf schleppen sich Peters und seine Männer vorwärts, wobei Tiedemann die Nachhut befehligt, die jetzt mehrfach angegriffen wurde. Peters gelingt es unterdessen einen Gefangenen zu zwingen, sie zum nächsten Fluss zu führen. Endlich mit Trinkwasser versorgt, fassen die Männer neuen Mut und bahnen sich schließlich einen Weg bis zum Plateaurand, wo sie endlich unter sich den Baringosee erblicken, den sie schließlich am 6. Januar 1890 erreichen. Hier schließen sie Verträge mit den örtlichen Stämmen und ziehen weiter nach Kawirondo am Viktoriasee.

Der Baringosse ist erreicht

Die großen Seen

Am Viktoriasee angekommen, trafen sie zur großen Enttäuschung von Peters auf ein halb verlassenes Lager einer weiteren Emin-Pascha-Expedition, die unter dem Kommando des Engländers Frederick Jackson stand, der ausgesandt worden war, um Stanleys Expedition zu unterstützen. Jackson wollte ebenfalls, wie auch Peters, die Uganda Region für sein Heimatland gewinnen. Später wurde er übrigens tatsächlich Gouverneur des britischen „East African Protectorate“ und schließlich auch Gouverneur von Uganda. Der örtliche Sultan mit Namen Sakwa umwarb Peters und lobte die Deutschen für ihren Sieg über die Massai. Mit seiner Gastfreundschaft versuchte der Sultan Peters dazu zu bewegen, mit seinen Soldaten gegen einen verfeindeten Nachbarstamm in den Krieg zu ziehen. Ein Anliegen, dass Jackson zuvor abgelehnt hatte. Schließlich willigte Peters ein, ließ aber nur seine Askaris und nicht sich selbst und damit Deutschland den Angriff unterstützen, um bei einem Scheitern kein Ansehen einzubüßen.

Der Angriff war jedoch erfolgreich und die Männer des Sultans und die Askaris konnten den Feind besiegen. Nun lies Peters die Fahne des Deutschen Reich hissen und hoffte so auf einen Vorteil bei seinen geplanten Verhandlungen mit den wichtigen Nachbarkönigreichen Buganda und Bunyoro. Die deutsche Expedition richtete sich zunächst im Lager der Briten häuslich ein, wo Peters die Korrespondenz von Jackson mit Stanley entdeckte. Nun brach eine Welt für Peters zusammen. Laut den Briefen hatte Stanley bereits Emin Pascha erreicht und war sogar schon auf dem Weg zur Küste von Ostafrika. Peters kam zu spät!

Doch schon nach kurzer Zeit schmiedete Peters einen neuen Plan, er wollte nun sein eigentliches Ziel, die Gewinnung weiterer Kolonialgebiete für Deutschland verwirklichen. Im Reich Buganda war es zu Kämpfen um den Thron des Reiches gekommen, was Peters für sich nutzen wollte. Doch er konnte keinen Schutz- sondern nur einen Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Buganda aushandeln.

Peters in Buganda

Schließlich machte sich Peters wieder auf den Rückweg an die Küste, wobei er völlig überraschend bei Mpwapwa auf Emin Pascha traf. Emin hatte sich nach seiner „Rettung“ (darüber werde ich natürlich an anderer Stelle noch ausführlich berichten) und einer schweren Sturzverletzung wieder auf eine Expedition ins Landesinnere begeben. Peters war ganz überwältigt, nun endlich mit Emin Pascha zusammengetroffen zu sein. Gemeinsam machten sie sofort Pläne, um weitere Gebiete unter deutsche Kontrolle zu bringen. Doch zwischenzeitlich, am 1. Juli 1890, hatten Deutschland und Großbritannien mit dem sogenannten Helgoland-Sansibar-Vertrag Ostafrika unter sich aufgeteilt, wodurch alle von Peters geschlossenen Verträge null und nichtig wurden.

Peters trifft Emin Pascha

Epilog

Die Geschichte von Carl Peters ist damit noch lange nicht zu Ende. Er wird Reichskommissar für das Kilimandscharo-Gebiet, wo er eine Art Schreckensherrschaft ausübt, einen Aufstand der Einheimischen provoziert, Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden, die schließlich zu einer unehrenhaften Entlassung aus dem Reichsdienst führen. In dieser Zeit erwirbt es sich unter den Einheimischen den Spitznamen „mkono wa damu“, die blutige Hand und in der Heimat den Namen „Hänge-Peters“. Doch das Stehaufmännchen Peters leitet 1899 erneut eine Forschungsreise, die ihn an den Sambesi führt und auch in Sachen Gewalt und Rassismus ist er weiterhin recht umtriebig. Am 10. September 1918 verstirbt Carl Peters schließlich in Bad Harzburg.

In der Zeit des Dritten Reiches wurde Carl Peters als geistiger Vater des Nationalsozialismus wiederentdeckt und in zahlreichen Büchern sowie im gleichnamigen Spielfilm mit Hans Albers in der Titelrolle glorifiziert. Der Film, der die ausgeschmückten Geschichten und falschen Tatsachen aus den Büchern von Carl Peters noch weiter ins Land der Fantasie versetzt, ist natürlich nur mit äußerster Vorsicht und ausreichendem Vorwissen zu ertragen.

Quellen

Zum Glück hat damals so ziemlich jeder Teilnehmer einer Expedition ausführlich Berichte und sogar ganze Bücher verfasst. Es galt Ruhm und natürlich auch Geld zu erwerben, um zumindest einen Teil der Expeditions-Kosten zu decken. Peters schilderte 1891 die Ereignisse in seinem Werk „Die deutsche Emin-Pascha-Expedition“, Adolf von Tiedemanns Buch trug den Titel „Tana, Baringo, Nil – Mit Karl Peters zu Emin Pascha“, welches aber erst 1907 geschrieben wurde. Natürlich haben auch alle anderen Beteiligten, wie Emin Pascha und Wissmann umfangreiche Aufzeichnungen zu Papier gebracht. Wer nicht alle Schriften und Tagebücher einzeln lesen und bewerten möchte, kann zum Glück auf eine ganze Reihe von guten Zusammenfassungen zurückgreifen. Nennen möchte ich an dieser Stelle vor allem die Werke „Carl Peters and German Imperialism“ (2004) von Arne Perras sowie „Emin Pascha, Herr von Äquatoria“ (2010) von Patricia Clough.

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